Kuehler Grund
»So lange, bis sie fast tot sind. Nur so zum Spaß.«
»Du großer Gott. Was ist denn der Sinn des Ganzen?«
»Sex«, sagte Sam ernst. »Davon soll man einen Riesenständer kriegen.«
»Aha. Na, das wäre wenigstens mal ’ne Abwechslung.«
»Man kann nie wissen. Vielleicht würde es sich dafür tatsächlich lohnen.«
»Da stand was über einen Kerl in der Zeitung«, sagte Sam. »Vierundsiebzig Jahre war er alt. Er hat seine Brustwarzen und Hoden unter Strom gesetzt. In dem Artikel hieß das autoerotisches Experiment.«
»Aye? Und was ist passiert?«
»Die Ladung war zu stark. Er ist gestorben. Wahrscheinlich hat es ihm die Eier abgerissen.«
»Im Alter hat man eben immer noch Lust darauf. Man kann es bloß nicht mehr richtig«, sagte Harry.
Sie nickten bedächtig und sahen zu, wie die drei jungen Mädchen mit ihren Mountainbikes vorbeiradelten. Die langen Beine wirbelten, die Speichen flirrten in der Sonne.
»Das Mädchen im Laden«, sagte Sam. »Die mit dem fetten Hintern und der Schraube im Mund. Das war die Tochter von Sheila Kelk, aus dem Wye Close.«
»Ach ja?«, sagte Harry gleichgültig.
»Sie wohnen nicht weit von den Sherratts.«
Irgendwo in der Howe Lane rumpelte und zischte der Wagen der Müllabfuhr. Die Mülltonnen, markiert mit den Hausnummern oder Häusernamen, warteten auf dem Bürgersteig auf ihn. Der gesammelte Abfall hätte ein ganzes Leben erzählen können.
»Mit dem Auto würde es auch gehen«, sagte Wilford. »Das kommt doch dauernd vor. Irgendwelche Leute aus Sheffield und so. Sie fahren in die Berge, wo man sie nicht findet, und vergiften sich mit Auspuffgasen.«
»Stimmt, Wilford. Hast Recht. Eine verdammte Landplage, überall stehen sie in der Gegend rum.«
»Ich habe schon seit Jahren kein Auto mehr«, sagte Sam. »Das können wir also vergessen.«
Er stemmte sich hoch und stützte sich gequält auf den Spazierstock mit dem Elfenbeingriff, während Harry seinen Ellenbogen nahm. Bis zu Sams Haus waren es nur noch wenige Schritte, doch es hätten genauso gut Kilometer sein können.
»Aber ich habe einen Wagen«, sagte Wilford.
Cooper wartete, bis Rennie und der andere Beamte das Büro verlassen hatten, bevor er Helen Milner anrief. Die Bemerkungen seines Bruders waren ihm nicht aus dem Sinn gegangen, und seit er an seinem Schreibtisch saß, beschäftigten sie ihn immer mehr. Er musste wissen, was Helen ihm verschwieg.
Sie klang zurückhaltend, als sie sich meldete. Umso mehr überraschte es ihn, wie bereitwillig sie ihm von den Partys in der Villa erzählte, fast als ob sie den Text einstudiert hätte.
»Man geht zu den Vernons, weil es dort gutes Essen, reichlich zu trinken und jede Menge Sex gibt«, sagte sie. »Vermutlich auch weiche Drogen. Es wurde kein Geheimnis daraus gemacht. Alle schienen genau zu wissen, was sie in der Villa zu erwarten hatten. Alle außer mir.«
»Reden wir hier von Partnertausch?«
»Könnte man sagen. Graham und Charlotte Vernon haben auf jeden Fall mit jedem getauscht, der einen Partner hatte. Ich glaube, es war ihr Hobby. So wie andere Leute sich für Dampflokomotiven interessieren oder einen Volkstanzkurs belegen«, sagte sie bitter.
Für die sexuellen Aktivitäten auf den Partys der Vernons, die Helen beschrieb, traf Matts Ausdruck Orgie für Coopers Begriffe durchaus zu. Ältere Menschen wurden nicht eingeladen, nur Gleichaltrige oder Jüngere. Graham wählte die meisten Gäste offenbar persönlich aus, andere kamen auf Empfehlung von Freunden. Cooper gewann allerdings auch den Eindruck, dass die Partys für Graham Vernon nicht nur ein Freizeitvergnügen waren. Sie waren auch gut fürs Geschäft, da sämtliche Gäste Klienten oder potenzielle Klienten waren. Ein Arrangement, von dem beide Seiten profitierten. Es war eine etwas andere Form der Kundenbetreuung.
»O ja, es ging dabei auch ums Geschäft«, bestätigte Helen, als er sie darauf ansprach. »Wahrscheinlich setzt er die Getränke von der Steuer ab.«
»War Laura auch auf diesen Partys?«
»Ja, aber nur am Anfang. Ihre Eltern haben sie immer vorgezeigt, wenn die Gäste eintrafen. Aber bevor es richtig losging, wurde sie zu einer Freundin aus dem Reitclub verfrachtet, wo sie dann auch übernachtet hat. Aus den Augen, aus dem Sinn, wie Großmutter sagen würde.«
»Wir wissen, dass sie sexuell nicht unerfahren war. Denkst du, sie könnte sich mit einem Bekannten ihres Vaters eingelassen haben?«
»Ein besonderer Bonus für Daddys beste Klienten? Möglich. Das wäre
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