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Kuehler Grund

Titel: Kuehler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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zögerte und musterte Fry interessiert. »Ich könnte mir verschiedene Gründe denken.«
    »Zum Beispiel?«
    »Vielleicht glaubt sie, die Rolle spielen zu müssen, die man von ihr erwartet. Das kommt oft vor. Man versucht, dem eigenen Image gerecht zu werden oder die Erwartungen anderer Leute zu erfüllen, als ob man keine eigene Persönlichkeit mehr hat. Oder sie wollte Sie nur ablenken. Es könnte natürlich auch ein doppelter Bluff gewesen sein. Sie hat Ihnen die Wahrheit so dick aufs Brot geschmiert, dass Sie ihr nicht mehr glauben konnten.«
    »Ich staune, Ben. Bei Ihnen hören sich die Leute furchtbar kompliziert an. Meiner Erfahrung nach haben sie meistens ganz einfache, langweilige Motive.«
    »Motive wie Ehrgeiz und Machtgier? Unsere alten Lieblinge? Ja, solche Motive können einen Menschen wirklich rücksichtslos und selbstsüchtig werden lassen, nicht wahr?«
    Fry reagierte gereizt auf seinen Ton, obwohl sie nicht verstand, worauf er hinauswollte. »Und Sex, natürlich«, sagte sie.
    »Ach ja. Den Sex dürfen wir natürlich auf keinen Fall vergessen.« Cooper ließ sich zwei Spindschlüssel geben und trug Fry wütend in das Gästebuch ein. »Aber mit dem Sex ist es auch nicht so einfach.«
    »Für manche von uns ist es sehr einfach, glauben Sie mir. Aber das gilt offenbar nicht für die Vernons und Milners.«
    Cooper blieb stehen, um einen hoch gewachsenen jungen Mann zu begrüßen, der auf dem Weg zum Umkleideraum war. Er war auch Mitglied des Dojo und ebenfalls ein Kandidat für den braunen Gürtel. Alle Schüler und Lehrer kannten Ben Cooper – für ihn war die Kampfsportschule wie seine zweite Familie, vereint durch eine gemeinsame Philosophie und ein gemeinsames Ziel. Der Sensei, sein Lehrer, war fast so etwas wie ein Vater für ihn.
    »Warum schließen Sie die Milners dabei mit ein?«, fragte er.
    »Charlotte Vernon hat mir Andrew Milner als einen ihrer zahlreichen Liebhaber genannt. Er und seine Frau haben es abgestritten. Aber seine Tochter hatte Interessantes zu berichten. Wussten Sie, dass Simeon Holmes ihr Cousin ist?«
    »Sie haben heute mit Helen Milner gesprochen?«
    »Ja. Wieso?«
    Cooper hatte sein Handy in der Sporttasche, weil es zu riskant gewesen wäre, es im Auto zu lassen. Helens Telefonnummer wusste er auswendig.
    »Gehen Sie schon mal vor, Diane«, sagte er. »Ich habe Sensei Hughes gesagt, dass Sie heute mitkommen. Machen Sie sich inzwischen warm. Ich muss erst noch telefonieren. Es könnte ein paar Minuten dauern.«
    Fry machte ein überraschtes Gesicht. »Okay, von mir aus.«
    Im Umkleideraum hing der vertraute Geruch von Schweiß und Seife. Auf der einen Seite standen drei Reihen Metallspinde für die Wertsachen der Mitglieder. Neben der Tür lehnte eine Makiwara, eine hölzerne Wand für das Schlagtraining.
    Cooper wählte und fing an, sich auszuziehen. Mit einer Hand knöpfte er sein Hemd auf und rollte den Gi auseinander, den weiten weißen Anzug, der in der Trainingshalle Pflicht war. Das Bündel war mit seinem braunen Gürtel verschnürt, dem Zeichen für die vierte Stufe, nur eine Stufe unter den verschiedenen Dans, den Meistern der schwarzen Gürtel. Das Telefon klingelte so lange, dass er es fast wieder ausgeschaltet hätte.
    »Hallo?«
    »Helen?«
    »Ben? Was für eine Überraschung – zwei Anrufe an einem Tag. Fast hättest du mich nicht mehr erwischt, ich wollte gerade weg.«
    »Ach. Hast du etwas Interessantes vor?«
    Sie lachte. »Dart-Abend der Eltern-Lehrer-Vereinigung. Wir ziehen mit einem Team durch die Pubs und Clubs, um Geld für die Schule einzuspielen.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du Dart spielen kannst.«
    »Kann ich auch nicht. Ich glaube, mich nehmen sie nur mit, damit ich für ein paar Lacher sorge.«
    »Ich will dich nicht aufhalten. Aber ich möchte dich noch etwas fragen. Über die Vernons.«
    »Ja?«
    »Diese Partys in der Villa, von denen du erzählt hast. Du hast gesagt, dein Vater wusste davon?«
    »Aber natürlich, er ist ja selbst einmal da gewesen. Für Vernon war es ein Riesenspaß, Mum und ihn einzuladen. Dad war total schockiert. Er hat gesagt, es wäre der peinlichste Abend seines Lebens gewesen, die größte Beleidigung, die er sich vorstellen könnte. Ja, ich dachte mir schon, dass du danach fragen würdest. Damit fing eigentlich alles an.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich bin überzeugt, dass das der Grund war, warum Graham Vernon mich später eingeladen hat. Es ging natürlich gegen Dad. Um ihn noch mehr zu ärgern. Ich glaube, das

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