Kuehler Grund
als hätte sie Arthritis. Ihr kurzes blondes Haar war zerwühlt, und sie hatte einen Schweißfilm auf der Stirn, der nicht nur durch den heißen Tag oder den dampfenden, leeren Topf auf dem Herd zu erklären war. Auch sie hatte geweint.
Als sie ihn sah, ließ sie das Tranchiermesser fallen, das sie in der Hand hielt, als wäre es eine Erleichterung, es loszuwerden. Normalerweise duftete es in der Küche nach Kräutern und selbst gebackenem Brot, manchmal auch nach Knoblauch und Olivenöl. Heute Abend aber roch es nach Desinfektionsmitteln, und es hingen noch üblere Gerüche in der Luft, die in Cooper eine böse Vorahnung aufsteigen ließen. Seine Bauchmuskeln krampften sich zusammen.
»Was ist passiert, Kate?«
Seine Schwägerin schüttelte den Kopf und musste sich auf den Holztisch stützen, völlig erschöpft von dem Versuch, um der Mädchen willen den Anschein von Normalität aufrechtzuerhalten. Nach allem, was Cooper draußen gesehen hatte, hätte er ihr sagen können, dass ihre Anstrengungen vergeblich gewesen waren.
»Sieh es dir selber an«, sagte sie. »Ich kann nicht mehr, Ben.«
Als er ihr die Hand auf die Schulter legte, kamen ihr wieder die Tränen.
»Lass mich nur machen«, sagte er. »Kümmere du dich um die Mädchen.«
Er ging in die Diele, die mitten durch das Haus lief, und sah die Treppe hinauf. In seiner Kindheit war es in der Diele und auf der Treppe immer finster gewesen. Wände und Holz waren dunkel lackiert und die Dielenbretter zu beiden Seiten des schmalen Läufers schwarz gestrichen gewesen. Der Läufer selbst hatte jede Farbe verloren gehabt, so aussichtslos war der Kampf gegen den Schmutz, den sein Vater, sein Onkel, ihre Kinder, drei Hunde, zahlreiche Katzen und manchmal auch andere Tiere, die im Haus aufgepäppelt werden mussten, hereintrugen. Das alles war längst anders geworden. Die Diele war mit einem dicken Teppichboden ausgelegt, die Wände waren weiß gestrichen. Das abgebeizte Holz verbreitete einen goldenen Schimmer, und überall hingen Spiegel und Bilder, die das spärliche Licht, das durch die halbmondförmigen Fenster in den beiden Dielentüren hereinkam, einfingen und zurückwarfen.
So hell, luftig und einladend die Treppe inzwischen auch geworden war, heute graute es Cooper die erste Stufe zu betreten wie seit seiner Kindheit nicht mehr. Auf einer der mittleren Stufen sah er einen rosafarbenen, flauschigen Hausschuh, der mit Exkrementen beschmiert war.
Der Pantoffel lag auf der Seite, so harmlos und unschuldig, dass er schockierend obszön wirkte. Die fröhliche Farbe biss sich mit der des Teppichs. Ein blutiges Herz auf der Treppe hätte Cooper nicht mehr entsetzen können.
Während er langsam nach oben ging, bückte er sich nach dem Hausschuh und hob ihn vorsichtig auf, als wäre er ein wichtiges Beweisstück. Auf dem Treppenabsatz blieb er stehen, legte den Kopf auf die Seite und lauschte dem verzweifelten, fiependen Wimmern hinter der Tür. Es waren unmenschliche Laute, wie das undeutliche Klagen eines leidenden Tieres, ohne Worte.
Dann öffnete Cooper die Tür. Er musste kräftig drücken, weil auf dem Boden ein Hindernis lag. Er trat ein. Das Zimmer glich einem Schlachtfeld, und es bot sich ihm ein Bild der Verwüstung, wie er es noch an keinem Tatort gesehen hatte. Gefunden von einem Mann, der mit seinem Hund spazieren ging.«
Ein wachsames Schweigen machte sich breit. Diane Fry, ihr aufgeschlagenes Notizbuch auf den Knien, setzte eine aufmerksame Miene auf. Dabei konzentrierte sie sich vor allem auf die verschlungenen Krakel, mit denen sie langsam das Papier füllte und die aus der Entfernung wahrscheinlich wie Kurzschrift aussahen. Eine Schmeißfliege flog brummend gegen das Fenster des Konferenzraums, jemand scharrte mit den Füßen, die Stahlrohrbeine eines Stuhls knarrten gequält.
8
»Gefunden von einem Mann, der mit seinem Hund spazieren ging«, wiederholte der Superintendent mit einem gefährlichen Unterton in der Stimme.
Einige Beamte sahen an die Decke, andere nahmen einen Schluck Kaffee, um Jepsons Blick zu entgehen. Fry fragte sich, warum die Fliegen immer die offenen Fenster ignorierten und lieber erfolglos gegen die verschlossenen anbrummten.
»Es war ein alter Knabe, der Dickinson heißt, Sir«, sagte DS Rennie. »Anscheinend geht er jeden Abend dieselbe Route über den Baulk.«
Rennie war an der Suche nicht beteiligt gewesen. Aber genau wie alle anderen im Raum hatte auch er erkannt, dass es Zeit wurde, sich den Rücken freizuhalten,
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