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Kuehler Grund

Titel: Kuehler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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Sorgen. Alles nur Routine.«
    Gwen brachte ihn zur Tür. Dort legte sie ihm die Hand auf den Arm.
    »Man kann mich nicht zwingen, gegen ihn auszusagen, nicht wahr?«, fragte sie.
    »Warum sollten wir Sie dazu zwingen wollen, Mrs. Dickinson?«
    Sie schüttelte müde den Kopf. »Schon gut, ich weiß. Alles nur Routine. Ich weiß.«
    Und Ben Cooper kannte die Antwort auf seine Frage ebenfalls nicht.

16
    Der Geruch des Rauches war beißend streng, wie verbrannter Gummi, aber längst nicht so stark wie der andere Geruch, der wie ein giftiger Nebel über den morschen Gebäuden und den überwucherten Koppeln hing. Es war der süßliche, klebrige Gestank von organischer Materie, die in Zersetzung übergegangen war und faulige Gase ausdünstete.
    Um die drei alten Männer zu finden, brauchte Cooper nur seiner Nase zu folgen. An einer Stelle, die vom Feldweg aus nicht zu sehen war, schichteten sie einen riesigen Komposthaufen auf. Sam Beeley saß auf einem Strohballen und überwachte die Arbeit, während Harry Dickinson und Wilford Cutts, die ihre Jacken ausgezogen und die Hemdsärmel hochgekrempelt hatten, ihre Mistgabeln schwangen. In der Nähe waren zwei junge Burschen damit beschäftigt, einen Stall auszumisten, Ladung um Ladung dunkler, nasser, strohiger Dung. Dampfend und schwarz lag er in den Schubkarren. Ein paar Meter weiter blakte ein Haufen Streu vor sich hin, von dem dichter, grauer Rauch aufstieg, der sich am Berg im Farnkraut verteilte. Doch über allem lag der unerträgliche Gestank des frischen Mists, der sich auf der Erde zu Bergen türmte.
    Als Wilford Cooper kommen sah, zeigte er mit der Gabel auf ihn und stach Löcher in die Luft.
    »Seht mal, wer da kommt! Jetzt gibt’s Ärger, Jungs.«
    »Ach was, der Mann ist doch ein Held«, sagte Sam. »Er hat gerade den Mordverdächtigen verhaftet. Er hat den Fall gelöst, unser Held.«
    »Ganz allein?«
    »Ich würde sagen, ganz alleine und mit links.«
    »Vielleicht will er uns seine Hilfe anbieten«, sagte Harry, der sich auf die Mistgabel stützte. Sein Hemdkragen stand offen, und die Grenzlinie zwischen dem braun gebrannten Hals und der weißen Kehle und Brust, an die seit Jahren kein Sonnenstrahl mehr gekommen war, war deutlich zu sehen. Er sah aus, als bestünde er aus zwei vollkommen unterschiedlichen Männern. Cooper musste absurderweise an Frankensteins Monster denken, dessen Kopf mit groben Stichen an den Körper eines anderen Mannes genäht worden war.
    »Na, dann schnappen Sie sich mal eine Schubkarre«, sagte Sam. »Es sei denn, Sie kennen sich mit Komposthaufen aus.«
    »Wieso? Man braucht ihn doch bloß aufzuschichten und zu warten, bis alles verrottet ist«, sagte Cooper, der entschlossen war, sich nicht reizen zu lassen. »Richtig?«
    »Falsch.«
    »Falsch«, echote Wilford. »Kompostieren ist eine Kunst. Man muss den Kompost hegen und pflegen wie ein Kind.«
    Einer der jungen Männer karrte die nächste Ladung Mist heran. Cooper wich zurück, als die stinkende Masse von der Schubkarre rutschte, matschiges, verdrecktes Stroh und halb verrotteter Tierdung. Sobald der Mist auf der Erde lag, tauchten, wie aus dem Nichts, kleine braune Fliegen auf, die sich darauf niederließen und den Rüssel hineinbohrten.
    »Prächtiges Zeug«, sagte Wilfried. »Riechen Sie mal.«
    »Ist das für den Gemüsegarten?«
    »Gemüse braucht einen ganz speziellen Kompost.«
    »Blut und Knochen. Das braucht man für Gemüse«, sagte Harry.
    Sam kicherte. »Blut und Knochen. Blut und Knochen«, sagte er. »Aye.«
    Aus einem Schuppen kam Hundegebell, Hühner gackerten. Aber insgesamt war es auf der Farm stiller, als Cooper es von seinem Besuch mit Diane Fry in Erinnerung hatte. Über der Szene vor ihm lag eine seltsame Ruhe, als ob die alten Männer vor einem bizarren Kunstwerk posierten, das sie für die Nationalgalerie geschaffen hatten.
    »Im Blut ist reichlich Stickstoff«, sagte Wilford. »Und in den Knochen ist Phosphor. Für den Kohl gibt es nichts Besseres.«
    Wieder landete eine Ladung Mist auf dem Haufen. Nachdem Wilford und Harry ihn mit der Gabel verteilt hatten, stieg Harry hinauf und trampelte mit seinen schwarzen Gummistiefeln darauf herum.
    »Bitte, Mr. Dickinson. Ich würde gern mit Ihnen sprechen«, sagte Cooper.
    Der Komposthaufen war inzwischen über einen Meter hoch. Harry, der wie eine seltsame Vogelscheuche vor Cooper aufragte, marschierte wie ein Wachtposten auf dem Kompost hin und her. Cooper musste die Augen mit der Hand vor der Sonne schützen,

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