Kuehler Grund
verschwunden war, kam mit seinem schwarzen Labrador an der ledernen Leine und einer Plastiktüte in der Hand hinter einem anderen Schuppen hervor.
Am Toyota angekommen, hockte Harry sich auf eine Mauer, zog die verdreckten Gummistiefel und seine dicken Socken aus und saubere Schuhe und Socken aus der Tüte an.
»Kompostieren ist nicht gerade meine Lieblingsarbeit«, sagte er. »Na ja, alles nur Natur. Aber meine Frau wird ganz schön meckern, wenn ich nach Hause komme.«
Nachdem Harry Dickinson auf dem Beifahrersitz des aufgeheizten Wagens Platz genommen hatte, verstand Cooper, warum Gwen Dickinson schimpfen würde.
Andrew Milner fuhr die geschotterte Auffahrt zur Villa hinauf und parkte vor den Deko-Säulen, gleich neben Graham Vernons Jaguar. Er warf einen neidischen Blick auf den schnittigen blauen Wagen, ein Symbol für den Unterschied zwischen ihm und seinem Arbeitgeber. Andrew besaß nur einen drei Jahre alten Ford Mondeo, wie ein gewöhnlicher Vertreter.
Er nahm seinen Aktenkoffer vom Beifahrersitz, atmete tief durch und ging auf die Haustür zu. Hoch oben an der Wand war eine Videokamera montiert, die auf ihn gerichtet war. Andrew wandte das Gesicht ab. Die weißen Wände der Villa warfen die Sonne zurück, sodass Andrew den Eindruck hatte, er müsse erst eine Barriere aus Hitze und Helligkeit überwinden, um zur Treppe zu gelangen.
»Entschuldigen Sie, Mr. Milner?«
Andrew blickte sich überrascht um. Er sah hinter dem Jaguar einen ernsten jungen Mann, der ihn anstarrte. Er wirkte so schmutzig und ungepflegt, dass Andrew im ersten Moment dachte, er wollte Graham Vernons Auto stehlen. Doch dann erkannte er ihn.
»Ach, hallo. Sie sind Daniel, nicht wahr?«
»Sind wir uns nicht schon einmal begegnet?«
»Doch. Hören Sie, es tut mir Leid, was …«
»Es ist ja nicht Ihre Schuld. Sie arbeiten zwar für meinen Vater, aber deshalb sind Sie noch lange nicht so wie er.« Daniel kam um den Jaguar herum. Er hatte einen Schlüsselbund mit der Fernbedienung für die Türverriegelung und die Alarmanlage in der Hand. »Ich wollte mir Dads Wagen ausleihen, aber ich habe es mir anders überlegt. Ich glaube, ich gehe lieber zu Fuß.«
Zu Andrews Erstaunen warf Daniel die Schlüssel lässig in einen Blumentopf, der neben der Treppe stand. Sie verschwanden zwischen den Wurzeln eines kleinen Strauchs.
»Ich fand, einer von uns sollte Ihnen sagen, wie Leid es uns für Sie tut«, sagte Daniel.
»Für mich?«
Der junge Mann kam näher. »Ja, weil Sie in die Sache mit hineingezogen worden sind. Sie und Ihre Familie. So etwas halten meine Eltern vermutlich nicht für erwähnenswert. Es kümmert sie nicht. Sie interessieren sich nur für sich selbst.«
Andrew wusste nicht, was er sagen sollte. Er presste seinen Dokumentenkoffer an sich und suchte verzweifelt nach irgendeiner unverfänglichen Small-Talk-Floskel. »Sie studieren noch?«
Daniel lachte und wandte den Blick ab, als hätte er plötzlich jegliches Interesse an seinem Gegenüber verloren. »An der Universität Exeter. Ich studiere Politikwissenschaft. Eine andere Welt.«
»Was für eine furchtbare Geschichte«, sagte Andrew hilflos.
Der junge Mann schien dem blauen Jaguar zu antworten und Andrew Milner völlig vergessen zu haben.
»Nachdem Laura verschwunden war, haben sie mich sofort in Exeter angerufen. Aber ich dachte, sie wäre mit diesem Typen abgehauen, mit ihrem Freund, Simeon Holmes. Damit hatte ich früher oder später sowieso gerechnet. Ich wollte ja nach Hause kommen. Aber Mum und Dad sollen sich erst von dem Schock erholen, dass ihre Tochter eine heimliche Nymphomanin war.«
»Ich verstehe.«
»Ich hätte sofort heimkommen müssen. Finden Sie nicht auch?«
»Darüber kann ich mir kein Urteil erlauben. Wirklich nicht.«
»Nein, das ist wohl ganz allein meine Sache«, sagte Daniel bitter. »Entschuldigen Sie, dass ich Sie damit belästigt habe.«
Er drehte sich um und ging die Auffahrt hinunter, die Hände in den Taschen seiner Jeans vergraben, die Schultern ärgerlich hochgezogen. Andrew sah ihm nach, bis der junge Mann noch einmal stehen blieb, sich umdrehte und ihm höhnisch zurief: »Worauf warten Sie noch? Gehen Sie rein. Meine Mutter wird Sie bestimmt mit offenen Armen empfangen!«
Andrew schüttelte verwundert den Kopf. Dann ging er die Treppe hinauf und klingelte. Charlotte Vernon öffnete ihm, eine elegante Erscheinung in Kaschmirpullover und cremefarbener Hose. Sie starrte Andrew an, dann brach sie in erstauntes Gelächter
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