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Kuehles Grab

Titel: Kuehles Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Lieferschein des UPS-Boten unterschrieb.
    Vielleicht hatte ihr Vater seine Sache zu gut gemacht.
    Bella kam hechelnd und mit zufriedenem Gesicht zurück. Annabelle war um eine Spur langsamer. Sie zwängte sich mit einem riesigen Paket durch den Flur. Bobby versuchte zu helfen, sie wehrte ihn jedoch ab und ließ den Karton in der Kochnische auf den Boden fallen.
    »Stoff«, erklärte sie und stieß mit dem Fuß gegen das Paket. »Berufsrisiko, fürchte ich.«
    »Für einen Kunden?«
    »Es fängt immer mit der Bestellung für einen Kunden an, und ehe ich mich versehe, habe ich ein, zwei Ballen dazugeordert. Ehrlich, es ist nur gut, dass ich keine größere Wohnung habe, sonst würde ich wer weiß was kaufen.«
    Er nickte und sah zu, wie sie zur Spüle ging, um sich auch ein Glas Wasser einzugießen. Sie schien sich wieder gefangen zu haben.
    »Sommer 1982«, setzte Bobby wieder an. »Sie waren sieben Jahre alt, Ihre beste Freundin ist Dori Petracelli, und Sie leben mit Vater und Mutter in Arlington. Was fällt Ihnen dazu ein?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ich war ein Kind. Ich erinnere mich ans Schwimmen, ans Kästchenhüpfen auf der Einfahrt. Keine Ahnung. Es war Sommer. Der Ball war gelb und sprang hoch. Das liebte ich.«
    »Hat Ihr Vater etwas dazu gesagt? Hat er Ihnen den Ball weggenommen?«
    »Nein. Er ist mir unter die Veranda gerollt und war weg.«
    »Andere Geschenke?«
    »Eine blaue Murmel.«
    »Aber das Medaillon …«
    »Mein Vater wurde wütend, als er es sah«, räumte Annabelle ein. »Daran entsinne ich mich, aber ich wusste nicht, warum. In meinen Augen war mein Vater ungerecht – ich verstand nicht, dass er mich schützen wollte.«
    »Laut den Akten von damals haben Ihre Eltern Sie nach dem zweiten Zwischenfall in ihrem eigenen Schlafzimmer einquartiert. Weckt das irgendwelche Erinnerungen?«
    Sie zog die Augenbrauen zusammen. »Etwas war mit meinem Zimmer«, sagte sie und rieb sich die Stirn. »Sollte es neu gestrichen werden? Musste mein Vater etwas reparieren? Ich weiß es wirklich nicht mehr. Aber ich schlief wirklich eine Weile auf dem Boden im Schlafzimmer meiner Eltern. Ein Familiencamping, nannte mein Vater das. Er hat sogar Sterne an die Decke gemalt.«
    »Haben Sie sich jemals bedroht gefühlt, Annabelle? Oder beobachtet? Oder hat Sie ein Fremder angesprochen? Ihnen Kaugummi oder Süßigkeiten angeboten? Sie gefragt, ob Sie in seinem Auto mitfahren wollen? Oder fühlten Sie sich unwohl, wenn der Vater einer Schulfreundin in der Nähe war? Oder ein Lehrer zu dicht bei Ihnen stand?«
    »Nein«, antwortete sie entschieden. »Und ich denke, das hätte ich nicht vergessen. Natürlich war das alles noch, bevor mein Vater mit seiner Sicherheitsausbildung begann, wenn mich also jemand angesprochen hätte … Ich weiß nicht. Vielleicht hätte ich die Süßigkeiten angenommen oder wäre in das Auto eingestiegen. 1982 war das gute Jahr.« Sie rieb sich die Arme und setzte tonlos hinzu: »Das war die Zeit, bevor die Hölle losbrach.«
    Bobby sah Annabelle an und wartete auf mehr. Sie schien jedoch nichts mehr zu sagen zu haben. Er wusste nicht, ob er ihr glauben sollte oder nicht. Kinder bekommen in der Regel eine Menge mit. Obwohl sich in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft Dramen abgespielt hatten, uniformierte Polizisten dreimal in zwei Monaten bei ihr zu Hause gewesen waren, wollte sie nie etwas bemerkt haben? Alle Achtung vor ihrem Vater.
    Bobby wartete, bis sie endlich den Blick auf ihn richtete. »Annabelle, warum haben Sie Florida verlassen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Und St. Louis und Nashville und Kansas City?«
    »Ich weiß es nicht.« Sie riss die Arme hoch. »Glauben Sie, ich habe damals diese Fragen nicht gestellt? Denken Sie, ich hätte mir nicht den Kopf darüber zerbrochen? Jedes Mal, wenn wir weiterzogen, habe ich nächtelang wach gelegen und mir das Gehirn zermartert, was diesmal schiefgelaufen sein könnte. Was ich Schlimmes verbrochen oder welche Bedrohung ich übersehen hatte. Ich habe es nie herausgefunden. Niemals. Mit sechzehn gab ich mich mit der Erklärung zufrieden, dass meine Familie schlicht paranoid ist. Einige Väter interessieren sich zu sehr für Football. Meiner hatte eine Schwäche für Bargeldgeschäfte und falsche Identitäten.«
    »Hielten Sie Ihren Vater für verrückt?«
    »Meinen Sie, ein geistig gesunder Mensch würde Frau und Kind jedes Jahr aus der Umgebung, an die sie sich gerade mühsam gewöhnt hatten, reißen und ihnen eine neue Identität

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