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Kuehles Grab

Titel: Kuehles Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Fenster.«
    »Nein – nicht für das, was er im Sinn hatte.«
    Ich unterdrückte ein Schaudern und ging zur gegenüberliegenden Wand. »Und wann hat er Ihrer Meinung nach angefangen?«
    »Das wissen wir nicht. Nach den Pflanzen, die das alles überwuchert haben, dürfte die Sperrholzdecke vor etwa dreißig Jahren eingezogen worden sein. Also in den siebziger Jahren. Zu der Zeit wurde die Klinik geschlossen, und das Grundstück war ziemlich verlassen.«
    »Und wie lange hat er die Kammer benutzt?«
    »Das wissen wir nicht.«
    »Aber er muss sich hier ausgekannt haben«, beharrte ich. »Entweder war er Patient, oder er hat hier gearbeitet. Immerhin hat er die Grube gefunden und wusste, wo er sich das Baumaterial beschaffen konnte. Und es machte ihm nichts aus, immer wieder herzukommen.«
    »In dieser Phase unserer Ermittlungen ist alles denkbar.« D. D. klang voller Skepsis.
    »Und Sie sagten, Sie haben Sachen hier gefunden?«, fragte ich.
    »Metallregale, einen Klappstuhl, Plastikeimer.«
    »Keine Liege?«
    »Nein.«
    »Lampen, eine Kochgelegenheit?«
    »Nein, aber zwei Haken an der Decke, an denen er möglicherweise Lampen aufgehängt hat.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Die Haken befanden sich direkt vor den Regalen, in dem er die Leichen aufbewahrte.«
    Ich schwankte und streckte die Hand aus, um mich an der kalten Erdwand abzustützen, besann mich aber schnell eines anderen. »Was ist?«
    D. D. blickte mich forschend an. »Sagen Sie es mir! Sie sind diejenige, die behauptet, eine Zeugin zu sein. Was haben Sie hier unten gesehen?«
    »Nichts.«
    »Auf dem Gelände, im Freien – kommt Ihnen irgendwas bekannt vor?«
    »Nein.« Meine Stimme war schwach. »Ich war nie zuvor hier.« Ich streckte erneut die Hand aus, meine Finger berührten leicht die Wand. »So etwas hätte ich nicht vergessen.«
    »Nein«, stimmte sie mir schroff zu. »Das hätten Sie wohl nicht.«
    D. D. stellte sich neben mich und legte ihre Hand neben meine an die kalte Erdwand. »Gleich hier standen zwei Metallregale. Der Täter benutzte sie zur Aufbewahrung. In den Fächern hat er die Leichen gelagert. Je eine in einer Plastiktüte, drei nebeneinander in jedem Fach. Zwei ordentliche Reihen.«
    Meine Finger verkrampften sich, die Nägel bohrten sich in die Erde. Ich schwöre, in diesem Moment konnte ich es fühlen: das Böse, das sich hier eingenistet hatte. Ich zuckte zurück und suchte nach Spuren von … was? Einem Kampf? Blut? Die Stelle, an der ein Ungeheuer meine beste Freundin vergewaltigt hatte?
    Mir wurde übel. Meine Gedanken rasten. Ich erinnerte mich an meine sieben Jahre alte Spielkameradin. Ich sah all die Fotos von Verbrechen vor mir, die mir mein Vater gezeigt hatte.
    »Was hat er hier mit ihnen gemacht?«, hörte ich mich fragen. »Wie lange hielt er sie gefangen? Wie hat er sie umgebracht? Kannten sich die Mädchen? Mussten sie hier unten bei den Leichen der anderen bleiben? – Machen Sie das Licht aus!«, rief ich abgehackt. »Verdammt, löschen Sie das Licht! Ich möchte wissen, was er ihnen angetan hat und wie sie sich gefühlt haben.«
    Detective Dodge ergriff meine Hände, um mich zu beruhigen. Er sagte nichts, stand einfach nur vor mir und sah mich aus den grauen Augen an. Meine Schultern sackten herunter, und ich ließ die Hände sinken. Die Hysterie wich von mir und ließ mich erschöpft zurück. Ich dachte wieder an Dori und an unseren letzten Sommer.
    Dori liebte Limonade mit Traubengeschmack. Mein Lieblingsgetränk war Ingwerbier. Wir schnappten uns immer diese beiden Geschmacksrichtungen aus den Kisten mit den verschiedenen Sorten, die unsere Mütter kauften, und tauschten jeden Sonntag.
    Wir rannten unsere Straße entlang, um zu sehen, wer schneller laufen konnte. Einmal stürzte ich und schlug mir das Kinn auf. Dori kam zurück, um nachzusehen, ob mir etwas fehlte. Als sie sich über mich beugte, sprang ich auf und rannte über die Ziellinie, nur um sagen zu können, ich hätte gewonnen. Sie sprach einen ganzen Tag kein Wort mit mir, aber ich wollte mich nicht entschuldigen.
    Ihre Familie besuchte jeden Sonntag die Kirche. Ich wollte auch mitgehen, weil Dori immer so hübsch aussah in ihrem weißen Sonntagskleid, doch mein Vater erklärte, Kirche sei etwas für Unwissende. Dafür durfte ich am Sonntagnachmittag zu Dori, und sie erzählte mir die Geschichten, die sie am Morgen gehört hatte – die Geschichten vom kleinen Moses, von Noah und seiner Arche oder von der Geburt Jesu in einer Krippe. Und ich sprach

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