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Kühlfach betreten verboten

Kühlfach betreten verboten

Titel: Kühlfach betreten verboten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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ich mir diesen blöden Scherz nicht erklären, bis ich die Pinnwand sah. Dort hing das Foto des Opfers und darunter ein Blatt Papier mit dem Namen: Yasemin Özcan. LAZY bedeutete also nicht, dass die Mitglieder der Mordkommission hier faul auf dem Tisch lagen und chillten, sondern es war die Abkürzung für Lagezentrum Yasemin. Hahaha.
    Gregor stand mit Jenny vor der Pinnwand und klebteweitere Fotos an. Detailaufnahmen von den Stichverletzungen, Weitwinkelaufnahme von der Auffindesituation, Detail des Zettels mit dem Wort »Schlampe«. Jenny reichte ihm ein bedrucktes DIN-A 4-Blatt , auf dem die persönlichen Daten standen. Alter: sechzehn. Eltern: Mustafa und Aysegül Özcan. Adresse. Schule: Nelson-Mandela-Gesamtschule.
    Gregor warf einen Blick zur Uhr. »Okay, wir müssen los. Ich will dabei sein, wenn sie ihre Tochter identifizieren.«
    Damit wollte ich nichts zu tun haben. Identifizierungen von eigenen Nachkommen arteten meist in wahre Jahrhunderthochwasser von Tränen aus, was übrigens bei Ehepartnern nicht immer der Fall war. Natürlich war nicht jeder Hinterbliebene so happy wie der Kerl Anfang September, der Martin nach der Identifizierung seiner Frau die Hand schüttelte und sagte: »Sie haben mir heute die beste Nachricht des Jahres überbracht«, aber es waren immer einige dabei, die erschreckend wenig Trauer zeigten.
    Anders die meisten Eltern, und da hielt ich mich fern.
     
    Lieber flog ich zur Uniklinik zurück in der Hoffnung, dass die Märchentante endlich ihre Geschichte beendet hatte und meine Assistenten mir ein paar Fragen beantworten konnten. Zwei von ihnen, Jo und Edi, die Unzertrennlichen, hingen über Jos Bett herum.
    »DU wolltest ja unbedingt, dass er auf diese Schule geht«, zischte gerade die Frau, die an Jos linker Seite saß, dem Mann an der gegenüberliegenden Seite des Bettes zu.
    Der Mann entgegnete nichts, strich nur leicht über Jos rechte Hand.
    »DU musstest es ja besser wissen als wir alle. Ich, meine Eltern, Dieter und Inge   …«
    Der Mann verdrehte die Augen.
    »ALLE haben uns geraten, Jo auf die Privatschule zu schicken. Dort hätte er mit seinesgleichen   …«
    »Glaubst du, dass deine Zänkereien Jos Genesung fördern?«, fragte der Mann. Seine Stimme klang unendlich müde.
    »Genesung, pah!« Sie stand auf und stellte sich mit dem Rücken zum Bett ans Fenster. »Glaubst du wirklich, dass Jo wieder aufwacht?«
    Die vier Bonsais sandten Schockwellen aus, die mich wie Bienen umschwirrten.
    »Und selbst wenn, wird er wahrscheinlich geistig zurückgeblieben sein. Ein sabbernder Idiot wie Elenas Junge.«
    »Wer ist Elena?«, fragte Edi.
    »Unsere Putzfrau«, flüsterte Jo mit tränenerstickter Stimme. »Ihr Sohn ist behindert. Aber er sabbert nur, wenn er sich aufregt.«
    »Ja«, sagte der Vater ruhig. »Ich glaube, dass Jo wieder ganz gesund wird.«
    »Genau«, hauchte Edi. »Ich auch.«
    »Ich bereite mich lieber auf den
worst case
vor«, sagte die Frau und straffte die Schultern. »Ich habe schon einen Termin bei Doktor Kesselstein   …«
    »Sophie! Jo braucht keinen Anwalt. Was er braucht, sind Eltern.«
    »Bitte, Bernd, sei realistisch! Für Johannes-Marius können wir nichts tun«, entgegnete die Frau in einem halb genervten, halb spöttischen Tonfall, »aber immerhin können wir die Lehrerin verklagen, die mit ihrem Auto gegen die Brücke gefahren und dann abgehauen ist, ohne Hilfe zu holen.« Sie schnappte Handtasche und Mantel vom Stuhl und verließ mit klackernden Stöckelabsätzen das Zimmer.
    »Was für ein Geschoss«, rutschte es mir heraus, denn das war sie. Blond in einer Färbung, die der liebe Gott so nicht vorgesehen hatte, mit Wahnsinnshupen und einem runden,drallen Hintern im engen Businessrock, der sich mit jedem Schritt um feste Schenkel spannte.
    »Sind die immer so?«, fragte Edi.
    »Dauernd«, murmelte Jo. »Jedenfalls wenn sie meinen, dass ich sie nicht höre.«
    Der Kerl tat mir echt leid. Seine Alte mochte zwar eine scharfe Blondine sein, aber als Mutter war sie eine krasse Fehlbesetzung.
    »He, mach dich locker   – wenigstens sind bei dir die Schöne und das Biest nur ein Teil der Eltern und der andere ist okay«, versuchte ich zu scherzen, um wieder Stimmung in die Trauergemeinde zu bringen. »Ich brauche eure Hilfe bei meinen Ermittlungen.«
    Doch die Bonsais klebten weiter an Jos Bett, beobachteten, wie Jos Vater unbeholfen mit einer Hand ein Buch aus seiner Aktentasche fischte und es unter lächerlichen Verrenkungen aufschlug,

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