Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kühlfach betreten verboten

Kühlfach betreten verboten

Titel: Kühlfach betreten verboten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
Vom Netzwerk:
Mumps, Durchfall und was diese fiesen, kleinen Bazillenschleudern und Klebefinger alles so ins Haus schleppen. Stattdessen eine geile Figur, einen männlichen Sekretär, ein fettes Bankkonto und ein protziges Büro mit einem Ledersessel, auf dem der Sekretär auch gelegentlich mal zu mehr als zum Diktat kommen darf. Ist doch viel geiler als Kinderwagen rumschubsen.
    Ich überholte Martins Schunkelbüchse, die sich mit halb blinder Frontscheibe durch den nasskalten rheinischen Vorweihnachtsnebel quälte. Martin hörte einen Radiosender, der klassische Musik spielte, und zockelte auf der rechten Spur vor sich hin. Selbst die Radfahrer überholten ihn, manche winkten freundlich mit dem Mittelfinger, weil dasBehindern anderer Verkehrsteilnehmer in einem rollenden Parkwächterhäuschen nun mal keine ungeteilte Freude auslöst, aber all das bemerkte Martin nicht. In seinem Hirn befand sich nur ein Gedanke: Birgit.
    Sie schlief, als er nach Hause kam. Geschlagene zwanzig Minuten stand Martin noch im Wintermantel neben ihrem Bett und rang mit sich, ob er sie nun wecken oder doch lieber schlafen lassen sollte.
    »Lass sie schlafen, sonst ist sie bloß wieder zickig.«
    »Birgit ist nicht zickig. Sie hat irgendwas. Sie ist krank.«
    Damit traf er meine Meinung natürlich zu einhundert Prozent, nur dass er nicht wusste, worüber er sprach, und wenn er es gewusst hätte, es vermutlich auch anders ausgedrückt hätte.
    Ich bat ihn, Gregor anzurufen, aber er wimmelte mich ab. Ich befahl ihm, Gregor anzurufen, aber er machte alle Schotten dicht. Setzte sich auf das Sofa und begann, Straßennamen zu katalogisieren. Für die, die sich das jetzt nicht vorstellen können, erkläre ich das mal: Martin sammelt ja, wie inzwischen alle mitbekommen haben sollten, Stadtpläne. Bei den neueren Stadtplänen gibt es ein Register der Straßennamen, bei richtig alten Dingern gibt es das nicht. Das macht Martin. Er setzt sich mit seinem Stadtplan hin und schreibt fein säuberlich jeden Straßennamen, den er in der Zeichnung findet, ab. Bringt alles in alphabetische Reihenfolge und freut sich über das Ergebnis, wobei niemand auf der ganzen Welt weiß, wofür der Scheiß gut sein soll. Aber ihn entspannt das. Mich macht es wahnsinnig, ihm dabei zuzusehen, daher schaltete ich mich weg und düste zu Gregor. In der Zeit, die mir blieb, bis die Bonsais ihren nächtlichen Ausflug in die große böse Stadt machen wollten, konnte ich vielleicht bei ihm noch ein paar Neuigkeiten aufschnappen.
     
    Gregor und Jenny saßen im LAZY, mampften fettige, kalte Pizza und glotzten auf die Pinnwand.
    »Der Bruder ist nicht wieder aufgetaucht«, sagte Jenny mit vollem Mund. »Ich habe mit diesem Freund gesprochen, äh   …« Sie blickte auf ihre Notizen. »Şükrü Bozkurt. Er sagt, Mehmet sei beim letzten Mal, als er ihn gesehen habe, auffällig still gewesen, aber er kenne den Grund nicht. Auf seine Schwester, mit der er sich sonst gut verstanden habe, sei er gar nicht gut zu sprechen gewesen. Auch darüber wollte Mehmet wohl nicht näher sprechen, aber sein Freund sagte, dass es Gründe genug gegeben habe.«
    »Was soll das denn heißen?«, fragte Gregor.
    »Der nette Herr Bozkurt sagte mir, Yasemin sei eine Schlampe gewesen, die sich aufreizend gekleidet und die falschen Freunde gehabt habe. Mehmet sei viel zu nachsichtig mit ihr gewesen.«
    Gregor vergaß zu kauen und starrte eine ganze Weile mit offen stehendem Mund in die Gegend. Das war nicht sehr appetitlich, aber Jenny unterbrach seine Meditation nicht. Sie schaute einfach in die andere Richtung.
    »Hat er dich verarscht?«, fragte Gregor endlich.
    »Das glaube ich nicht«, sagte Jenny.
    »Okay, wir geben intern eine Suchmeldung ins System, aber noch ohne Medienaufgebot«, trug Gregor Jenny auf. »Und dann lass Mehmets Handy orten.«
    Jennymaus nickte.
    »Der Mord wird morgen in der Zeitung stehen«, nuschelte Gregor um ein Stück Pizza herum. »Dann sind wir sowieso am Arsch.« Ein Käsefaden hing ihm aus dem Mundwinkel.
    Jenny machte eine Notiz in ihr rotes Büchlein, von dem ich mich immer fragte, ob sie auch ihre Einkaufsliste und heimliche Gedichte hineinschrieb. Leider kritzelte sie keine handelsüblichen Buchstaben, sondern diese Sekretärinnenschlenker,die kein moderner Mensch mehr lesen kann. Warum machten mir bloß alle Irdischen das Leben so schwer?
    Es war inzwischen neun Uhr, und Gregor sah aus, als würde er gleich im Stehen einpennen. Jenny war nicht besser drauf. Sie riss beim Gähnen den

Weitere Kostenlose Bücher