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Kühlfach betreten verboten

Kühlfach betreten verboten

Titel: Kühlfach betreten verboten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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Mund so weit auf, dass ich kurz versucht war hineinzufliegen, um sie mir von innen anzusehen. Aber das ist das gleiche Problem wie mit dem Kühlschrank: Drinnen ist es dunkel wie im Elefantenarsch.
    »Schluss für heute«, verkündete Gregor etwas undeutlich, da er gleichzeitig ein Stück Salami aus den Zähnen pulte. »Morgen um sieben hier. Schlaf gut.«
     
    Na super, ich hing mal wieder so was von überflüssig in der Luft herum, dass es echt zum Kotzen war. Für eine Stunde ins Kino zu gehen lohnte sich nicht, bei Martin und Birgit war nichts los und die Kripo hatte Feierabend. Also eine Stunde Notaufnahme. Dort hing ich gern herum, weil ich immer noch hoffte, mal eine Seele im Augenblick der Freiheit aufzugabeln, die bei mir bleiben würde. Vorzugsweise eine gut gebaute Schnecke wie Angelina Jolie, aber mit einem kleineren Mund. Die Jolie könnte ich nicht küssen, da hätte ich immer Schiss, dass sie mich quer frisst. Wobei das eigentlich egal ist, weil ich sowieso nicht mehr küssen kann, aber gewisse Vorlieben legt man auch als Geist nicht einfach so ab.
     
    In der Notaufnahme ging es vergleichsweise ruhig zu, es gab nur ein paar zersemmelte Motorradpiloten, die von einem verpennten osteuropäischen Lastwagenfahrer über den Haufen gebrettert worden waren. Einer war tot, als er reinkam, der zweite trennte sich kurz danach von seiner körperlichen Hülle.
    »Hey, was geht?«, rief ich dem Seelchen zu, das wie ein Furz aus der verrenkten Gestalt auf der Trage entwich.
    »Äh, scheiße, Mann, was ist los?«, murmelte der Typ. »Wo bin ich?«
    »Zwischenstation«, sagte ich. »Bleib geschmeidig.«
    »Und wer bist du?«, stotterte er.
    Die Gestalt auf der Trage war mindestens eins neunzig groß und sah in der Lederkombi aus wie ein Seehund, der zu viel Omega- 3-Fett gefuttert hatte, aber die Stimme, die sich mit mir unterhielt, war eindeutig dünn, kleinlaut und den Tränen nahe.
    »Ich bin Pascha und schon länger hier. Also tot. Ist aber cool, mach dir mal nicht ins Hemd.«
    Unter uns ging das übliche Gerödel los. »Kein Puls«, schrie die Schwester, und schon kamen mehrere Helfer, die ihre jeweiligen offenen Knochenbrüche, die Axt im Bein und das abgebissene Ohr kurzzeitig sich selbst überließen. Elektroschocker raus, Ledersachen aufschneiden.
    »Hey, die Jacke hat fast tausend Mäuse gekostet«, stammelte das Seehundseelchen an meiner Seite.
    »Brauchst du hier nicht mehr«, tröstete ich ihn. »Sah eh scheiße aus. Viel zu eng.«
    Der Körper unter uns bäumte sich auf.
    »Ich will nicht sterben«, jammerte der Seehund.
    »Zu spät«, klärte ich ihn auf, obwohl ich inzwischen meine Zweifel hatte. Als die Elektroschocker ihn bearbeiteten, wurde sein Seelchen kurz wie von einem Staubsauger in Richtung Körper gezogen.
    »Nein, ich will nicht«, brüllte er jetzt mit einer Stimme, die dem Umfang seines Gürtels angemessen war.
    Der nächste Elektroschock zischte und das Seelchen sauste zurück in den Körper.
    Ich seufzte. Aber dann zuckte ich die Schultern, virtuell natürlich. Der Typ war sowieso nicht mein Fall gewesen.
     
    Apropos Fall, die Kurzen warteten sicher schon, also düste ich zur Uniklinik. In Niclas’ und Bülents Zimmer hockten die beiden Mütter an den Betten ihrer Sprösslinge und gaben sich Mühe, sich ihre gegenseitige Verachtung spüren zu lassen. Zumindest hatte ich das Gefühl, obwohl ich ja nicht in ihre Köpfe hineinsehen konnte. Niclas’ Mutter jedenfalls sprühte in regelmäßigen Abständen Lavendelduft aus einem kleinen Fläschchen in Richtung des anderen Bettes und fächelte sich mit ihrer Zeitschrift Luft zu. Bülents Mutter tat, als ob sie nichts merkte. Sie las nicht, sie fächelte nicht, sie hielt einfach nur Bülents Hand. Das Dickerchen hatte sich in den Falten ihrer weiten Jacke verkrochen und döste vor sich hin, während Niclas sich jedes Mal, wenn seine Mutter ihren Lavendel versprühte, in Sicherheit brachte.
    Mir war die Stimmung zu doof und der süßliche Weichspülergestank zu heftig, also flog ich zu Jo und Edi, in der Hoffnung, dort ein bisschen mehr Action zu haben.
    Stattdessen landete ich im Familienalbum. Edis Mutter hatte ein Fotoalbum auf dem Schoß, Jos Vater hockte auf der Kante seines Stuhls neben ihr und linste mit hinein, während sie Anekdoten aus Edis Kindheit zum Besten gab. Edi hing heulend über der linken Schulter ihrer Mutter, Jo über der rechten. Er versuchte, die bratschende Zahnspange zu beruhigen.
    »…   ist doch nicht schlimm,

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