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Kühlfach betreten verboten

Kühlfach betreten verboten

Titel: Kühlfach betreten verboten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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zeigten keinerlei Aktionismus. Ich hoffte, dass dieser Zustand noch länger andauern würde, und machte mich an die Arbeit. Ist ja nicht so, als hätte ich nichts zu tun.
    Um acht war ich im Institut, denn inzwischen, da war ich mir ziemlich sicher, würde auch Martin eingetroffen sein. Er stand in der Teeküche und wartete mit verträumtem Grinsen auf das Ende des Prostatatröpfelns der Teemaschine, als Katrin in die Teeküche stürmte, atemlos rief: »Mensch, Martin, ich suche dich überall«, und ihm ihr Handy hinstreckte.
    »Hallo?«, sagte Martin völlig verwirrt in das hippe Teil.
    »Gregor hier. Yasemins beste Freundin ist tot, Todesursache unklar. Kommst du?«
     
    Wenn jemand eine Leiche findet und nicht sofort klar ist, dass der- oder diejenige an einer natürlichen Todesursacheabgelöffelt ist, werden die Bullen gerufen. Die Bullen entscheiden dann, ob sie auch einen Rechtsmediziner dazurufen. Das tun sie immer, wenn sie selbst unsicher sind, ob der Tod vom lieben Gott oder einem Irdischen beschlossen und vollstreckt worden ist.
    Wenn jemand offensichtlich erschossen wurde, muss die Bullerei den medizinischen Dienst nicht rufen   – besser ist das aber, weil die Rechtsmediziner auch ein besonderes Auge auf die Spuren haben. Zum Beispiel können sie anhand des Musters, das das verspritzte Blut und Hirn im Raum hinterlässt, darauf schließen, ob der Tote saß oder stand, ob er frontal oder mit der rechten Schulter an der Wand lehnte, ob die Kugel eher von oben oder von unten kam, und lauter solche schlaue Sachen, die der Kripo helfen, den Tathergang zu rekonstruieren. Das ist wichtig, um erstens den Täter zu finden und zweitens auch vor Gericht deutlich zu machen, wie genau der Mord vonstatten gegangen ist, denn kein Richter der Welt verurteilt einen Verdächtigen, wenn die Kripo nur weiß, dass der eine den anderen irgendwie um die Ecke gebracht haben soll.
    Es sind also die besonders cleveren Bullen, die die Rechtsmediziner zu einem Tatort oder Fundort rufen, nicht die doofen. Die doofen vergessen das schon mal, so wie Jenny vor einigen Monaten während einer Mordserie, die im Institut immer mit den Worten »damals, während der Vermietung« umschrieben wird.
    Gregor ist ein guter Bulle (sagte ich das schon?), also rief er Verstärkung von der Kittelfront, und Martin ist ein guter Rechtsmediziner, also drückte er Katrin das Handy wieder in die Hand, ließ seinen Tee mit einem letzten, sehnsüchtigen Blick stehen, eilte in sein Büro, schnappte sich seinen Mantel und war schon fast aus der Tür, als Katrin erneut mit dem Handy wedelnd direkt hinter ihm auftauchte.
    »Noch ein Auftrag, der einen ganzen Mann erfordert.«
    Wieder griff Martin nach dem Handy, aber diesmal war es der Notfallkittel aus dem Krankenhaus. »Wir haben hier einen Patienten mit Schussverletzung, der uns zur Weißglut treibt. Vielleicht wollt ihr Freunde mal einen Blick auf den Typen werfen?« Rechtsmediziner untersuchen nämlich auch lebende Opfer von Verbrechen. Wenn diese Verbrechensopfer sich nicht freiwillig untersuchen lassen, und genau das schloss ich aus der Formulierung des Notfallkittels, dann können sie zur Zustimmung gezwungen werden   – sofern der Mediziner das gleiche Geschlecht hat wie der Patient. Martin ließ sich die Details durchgeben, gab Katrin das Handy zurück und nickte. »Geht klar. Ich übernehme die Schussverletzung, du nimmst Gregors neue Leiche.«
     
    Ich war, sagen wir es einmal in schönem Schriftdeutsch, vorsichtig optimistisch. Man könnte auch sagen, ich freute mir einen Soundtopf ans Rohr, denn ich kenne die einschlägigen Statistiken in Köln. Es gibt nicht jede Nacht zehn Opfer mit Schussverletzungen. Meist gibt es noch nicht einmal eins. Also lag die Vermutung nahe, dass Martin auf dem Weg zu Sibels Bruder Akif war, der vergangene Nacht beim Dealen leicht beschädigt worden war. So einen glücklichen Zufall hatte ich jetzt aber auch wirklich verdient, daher düste ich fröhlich pfeifend mit Martin in seiner Schunkelbüchse in Richtung Krankenhaus.
    Meine Erwartung wurde nicht enttäuscht: Der Typ, der die Krankenschwester und zwei Uniformierte auf Türkisch anpöbelte (das kann man am Gesichtsausdruck, der Gestik und dem Tonfall in jeder Sprache erkennen), war der sichtlich übermüdete, leichenblasse zweibeinige Mistkäfer, der vergangene Nacht vom Parkplatz des Nobelclubs gekrochen war. Martin begrüßte die Runde mit einem freundlichen Kopfnicken und schickte dann die Unbeteiligten

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