Kühlfach betreten verboten
hinaus. Ich war natürlich nicht unbeteiligt, also blieb ich.
»Mein Name ist Gänsewein von der Rechtsmedizin. Ich bin hier, um Sie zu untersuchen, Herr …«
»Verpiss dich«, murmelte Akif vermutlich. Er nuschelte Türkisch, aber sein Gesichtsausdruck verriet ihn wieder.
»Das ist Akif Akiroglu, der Bruder der verschwundenen Lehrerin Sibel«, informierte ich Martin. Der zwinkerte einmal, um die Information zu verdauen, und räusperte sich, bevor er entgegnete: »Sie müssen nicht mit mir sprechen, aber wenn Sie mir etwas sagen wollen, dann am besten auf Deutsch, Herr Akiroglu …«
Damit hatte er ihn. Akif wurde plötzlich wach, kniff die Augen zusammen, starrte Martin bösartig an und fragte mit einem seltsam zischenden Unterton: »Woher weißt du meinen Namen?«
»Ich würde mir gern Ihre Schussverletzungen ansehen«, sagte Martin, während er seine Tasche auf dem Stuhl neben dem Krankenbett abstellte und seinen Mantel auszog.
»Ich habe dich was gefragt«, wiederholte Akif.
»Der Arzt sagte mir, dass Sie diese Nacht von einem Krankenwagen aufgesammelt und hierhergebracht wurden. Sie sind nicht kooperativ, sagen Ihren Namen nicht, tragen keine Papiere bei sich und belästigen das Pflegepersonal. Alles das ist mir völlig egal. Mich interessieren ausschließlich Ihre Schussverletzungen.«
»Auch die gehen dich nichts an. Ich habe keine Anzeige erstattet.«
Martin ließ sich nicht beirren und holte ein Klemmbrett mit einem Formular hervor, auf dem er in den dafür vorgesehenen Kästchen bereits das Datum, das Geschlecht und die Art der Verletzung notierte. »Das ist auch gar nicht nötig. Schwere Körperverletzung – und eine Schussverletzung gehört dazu – wird von Staats wegen verfolgt. Es handelt sich um ein sogenanntes Offizialdelikt, das von einer Anzeige durch den Geschädigten unabhängig geführt wird.«
»Ich scheiß auf dein Gefasel.«
Martin hatte ziemliche Übung im Umgang mit Leuten wie diesem hier und blieb so cool, wie er als Privat-Martin nie im Leben werden würde. »Es gibt zwei Möglichkeiten: Wir beide machen die Untersuchung unter uns oder die zwei Uniformierten kommen wieder herein und halten Sie fest, während ich Ihre Verletzungen dokumentiere.«
»Das ist gegen die Menschenwürde«, nuschelte Akif in einem leicht resignierten Tonfall.
»Sie sind ein Beweismittel in einem Fall von schwerer Körperverletzung und unterliegen der Duldungspflicht laut Strafprozessordnung. Ihre Würde ist mir daher im Moment scheißegal.«
Jetzt hatte er uns beide überrascht. Mein Martinsgänschen hatte das böse Sch-Wort in den Mund genommen. Selbst Akif zuckte zusammen, obwohl er doch gar nicht ermessen konnte, welch historischem Moment er beiwohnte.
»Blödsinn, historischer Moment«, knurrte Martin mich gedanklich an. »Der Kerl stiehlt mir die Zeit, und ich habe den Eindruck, dass er nur diese Sprache versteht.«
»Du machst dich gut«, sagte ich, denn Akif schlug die Bettdecke zurück und gewährte Martin einen Blick auf den dick bandagierten Oberschenkel. Ich drehte mich weg, als Martin begann, die Bandagen abzuwickeln, und konzentrierte mich stattdessen auf die Fragen, die ich endlich loswerden wollte.
»Warum hat Akif sich noch nicht bei Gregor gemeldet?«
Martin gab die Frage weiter und Akif glotzte ihn misstrauisch vom Kissen her an. Leider blieb er stumm.
»Und wo sind Ihre Waffen jetzt?«, fuhr Martin mit meiner Hilfe fort.
Keine Antwort.
»Wissen Sie, wo Ihre Schwester sich aufhält?«
Stille.
»Was wird wohl die Kripo finden, wenn sie sich Ihren Tresor vornimmt?«
Natürlich konnte ich Akifs Gedanken nicht lesen, aber ich kann Gesichtsausdrücke interpretieren, und daher würde ich sagen, dass Akif verdammt beunruhigt war angesichts der Frage, woher dieser fein gescheitelte Doktor von seinem Namen, seinen Waffen und dem Tresor wusste.
»Wussten Sie, dass heute früh eine weitere Leiche aufgefunden wurde, die in indirekter Verbindung mit Ihrer Schwester steht?«
Nix.
»Was haben denn die zwei Schülerinnen mit dieser Lehrerin zu tun?«, fragte Martin laut und dann in Gedanken noch mal leise, nämlich mich.
»Wenn du mal zwei Minuten Zeit für mich hättest, hätte ich dir die ganze Kiste längst erklärt und wir wären um Lichtjahre weiter mit unserer Ermittlung«, sagte ich. »Yasemin, das ist die erste Tote, hatte die Telefonnummer …«
Ein Schrei von Akif unterbrach unsere stille Unterhaltung, hatte aber nichts mit dem Thema, sondern nur mit
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