Kühlfach betreten verboten
Martins Untersuchung zu tun.
»Wer?«, fragte Akif dann mit Tränen in den Augenwinkeln. Tja, beim Onkel Doktor flennen selbst die harten Jungs, an dieser Weisheit ist viel Wahres dran.
»Sie kennen doch bestimmt den Spruch aus dem Fernsehen«, sagte Martin ohne mein Zutun. »Ich stelle hier die Fragen.«
Er verbiss sich ein selbstzufriedenes Grinsen, und ich musste mir Mühe geben, dem so grottig gewollt coolen Martin nicht virtuell über die Schulter zu kotzen.
»Also, müssen wir Ihren Tresor aufmachen, um ein paar Antworten zu bekommen, oder reden Sie mit der Kripo?«, fragte Martin nach.
»Schick die Bullen her, ich rede«, sagte Akif. Dannschloss er die Sehdeckel und stellte sich für den Rest der Untersuchung tot. Daher verließ ich Martin und den quatschfaulen Dealer und besuchte Gregor am Fundort der frischen Mädchenleiche.
Bei der Leiche von Zeynep hatte Gregor gar keine Wahl gehabt und musste die Rechtsmedizin rufen, denn die Todesursache war unklar. Kein Einschussloch an lebenswichtiger Stelle, keine Stichverletzungen, kein Seil um den Hals, keine Spritze im Arm. Stattdessen ein äußerlich praktisch unversehrtes, aber totes Mädchen im eigenen Bett. Ein Mädchen, das als Zeugin im Mordfall Yasemin eine Rolle gespielt hatte: Zeynep, ihre beste Freundin.
Die Spurensicherung war bereits da, drei Gestalten in weißen Schutzanzügen wuselten durch das Zimmer, das größer war als das von Yasemin, diesem aber ansonsten ziemlich ähnlich sah. Es gab weniger Rüschen und keine Blümchendecken, aber jede Menge Nippes und Kitsch. Eine amerikanische Flagge hing einträchtig neben einer türkischen, ein offenbar türkischer Popstar schleimte von einem Poster über dem Schreibtisch herunter, und die unsäglichen Vampirbiss-Schmalzköpfe, denen man heutzutage vermutlich nur noch im Wartezimmer des Urologen entgehen konnte, verschandelten alle anderen Wände.
Gregor und Katrin gingen mit gesenkten Köpfen ihrer jeweiligen Arbeit nach, sprachen aber dabei miteinander.
»… wenn sie etwas Wichtiges wusste, hat sie es mir entweder nicht gesagt oder ich habe es nicht geschnallt«, sagte Gregor, als ich eintrat.
»Mach dir keinen Vorwurf«, sagte Katrin.
»Hast du schon einen Verdacht?«, fragte Gregor statt einer Antwort.
Katrin zögerte. »Hm.«
»Sag’s mir, auch wenn es nur eine einprozentige Chance ist«, bat Gregor.
»Intoxikation«, murmelte Katrin. »Siehst du hier den Schaumpilz, den sie vor der Nase hat?«
Gregor blickte nicht allzu genau hin. Er ist zwar nicht wirklich zimperlich, aber er reißt sich auch nicht darum, die ganzen unappetitlichen Details unter der Lupe zu betrachten.
»Das heißt bisher nicht viel, es könnte ein Hinweis auf alles Mögliche sein, aber Ertrinken und Intoxikation sind die Klassiker.«
»Und Ertrinken ist unwahrscheinlich«, sagte Gregor nach einem Blick durch das Zimmer. Es gab nicht einmal ein Goldfischglas.
»Habt ihr das gehört?«, fragte Gregor die Spusis, die in ihren weißen Komplettanzügen wie Aliens in der Tür auftauchten.
»Das heißt, du willst alles haben«, sagte der Größere.
Gregor nickte. »Jedes Glas, jede Flasche, jede Tablettenpackung, jede Plastiktüte, jeden Schnipsel Alufolie, jeden Briefumschlag, jede Jeans, jedes Hemd mit Taschen, jede Jacke. Tischplatte und Fußboden auf Partikelspuren untersuchen, Bettwäsche mitnehmen. Jedes Zettelchen, auf dem ein Abschiedsbrief stehen könnte. Und von dir …«
Er wandte sich an Katrin.
»Ich weiß«, kam sie ihm zuvor. »Wir machen das ganze Programm, einschließlich kompletter Toxi. Besorg mir nur den Auftrag vom Staatsanwalt, du weißt, dass das teuer wird.«
Ich ließ die beiden mit den Spusis allein. Es ist nicht witzig, einem Rechtsmediziner dabei zuzusehen, wie er die Leichenliegedauer (für alle Vorschulabbrecher: den Todeszeitpunkt) bestimmt. Ich will jetzt nicht die ganzen Details hier ausbreiten, aber es hat etwas mit einem langen Thermometerund der Rektaltemperatur zu tun. Da können sich die medizinisch vorgebildeten Leser jetzt was Konkretes drunter vorstellen, die anderen dürfen sich was Unkonkretes vorstellen.
Kurz nach mir verließ auch Gregor das Zimmer und setzte sich ins Wohnzimmer zur Mutter, die in Tränen aufgelöst auf dem Sofa hockte. Sie trug normale Klamotten ohne Kopftuch, war geschminkt und hätte trotz ihres fortgeschrittenen Alters von mindestens vierzig vielleicht sogar als hübsch durchgehen können, wenn ihr nicht die dicken schwarzen Schlieren
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