Kühlfach betreten verboten
von irgendwelchem Make-up-Kram wie Rohöl über das Gesicht gelaufen wären.
»Wann haben Sie festgestellt, dass Ihre Tochter …« Gregor brach ab. »Dass etwas mit ihr nicht stimmte?«
Sie hechelte etwas wie »… sieben … wecken … Schule … zu spät …« zwischen den Schluchzern hervor.
»Wo war sie gestern Abend?«
Schulterzucken. »… Rückenschmerzen … Wärmflasche …«
Gregors Gesicht zeigte deutlich seinen Frust, aber er musste wohl einsehen, dass er aus dieser Frau im Moment keine vernünftige Information herausbekommen würde. »Haben Sie jemanden, den Sie anrufen können?«, fragte er. »Der Ihnen zur Seite steht?«
Sie nickte.
»Geben Sie mir die Nummer.«
Oho, offenbar hatte Gregor erhebliche Befürchtungen, denn normalerweise ruft er die Zurseitesteher nicht persönlich an. Sie kramte nach ihrem Handy, rief die Nummer auf und Gregor bat die Frau am anderen Ende, die sich als beste Freundin von Zeyneps Mutter zu erkennen gab, sofort herzukommen. Dann verabschiedete er sich von der Mutter, von Katrin, die inzwischen die Karre zum Abtransport der Leiche gerufen hatte, und fuhr ins Büro.
»Wir fahren in die Schule und reden mit allen, die Yasemin und Zeynep kannten«, eröffnete er Jenny, die an ihrem Schreibtisch hockte und Informationen aus ihrem Notizbuch und von diversen Zettelchen in eine Datei übertrug. Es schien mir, als hätte sie den vermutlich letzten Tag im Leben von Yasemin rekonstruiert. Aufstehen, mit dem Bus zur Schule, Fächer für Nachwuchsklugscheißer wie Mathe und Spanisch, aber auch Sprechblasenbingo wie Sozialwissenschaften und Psychologie. Danach Mittagessen zu Hause, dann Hausaufgaben in ihrem Zimmer, um vier verließ sie das Haus und erzählte ihrer Mutter, dass sie zu einer Arbeitsgemeinschaft in die Schule wolle. Seitdem hatte niemand sie gesehen.
Ich wartete darauf, dass Jenny für die Zeit nach vier Uhr den Namen unserer verschwundenen Lehrerin notierte, von mir aus mit einem Fragezeichen versehen, aber das tat sie nicht. Ich konnte nur hoffen, dass sie sich noch irgendwann daran erinnern würde, dass die tote Schülerin einen Zettel mit Sibels Handynummer bei sich trug, aber momentan schien ihr dieses wichtige Detail entfallen zu sein.
Dabei war das unsere einzige Verbindung zwischen den beiden Frauen und meine einzige Spur zu der verschwundenen Lehrerin, die die Kripo offenbar nicht gerade weit oben auf der Liste der offenen Fragen hatte.
Ich hatte den Aufbruch Kripos zu Yasemins und Zeyneps Schule verpasst, musste mich aber nicht durch den chaotischen Verkehr quälen. Trotzdem hatten sie bereits den Cordanzug gefunden, als ich zu ihnen stieß. Er händigte Gregor gerade ein paar DIN-A 4-Blätter aus.
»So, dies ist schon mal die Liste mit den Namen von Lehrern und Schülern, die mit Yasemin direkt zu tun hatten.«
Gregor schnappte sich das Papier und überflog die Namen. Es waren bestimmt fünfundzwanzig.
»Für die Liste mit Zeyneps Kontakten brauche ich noch ein bisschen Zeit − mein Gott, wie schrecklich …«
Aha, der Pädagoge hatte die Nachricht von Zeyneps plötzlichem Ableben offenbar gerade erst erfahren. Yasemins Tod hingegen belegte die Seite eins des wichtigsten Kölner Druckerzeugnisses. Die Zeitung lag auf dem Schreibtisch des Cordanzugs, ich hatte sie auch im Sekretariat gesehen, und auf dem Schulhof lag ein Exemplar im Schneematsch. Es war anzunehmen, dass jede einzelne Person an dieser Schule inzwischen wusste, dass Yasemin ermordet worden war. Ob das für die Ermittlungen nun gut oder schlecht war, würde sich zeigen.
»Wir hätten gern alle Personen auf dieser Liste zusammen in einem großen Raum. Wir werden sie einzeln aufrufen und in einem separaten Raum mit ihnen sprechen, und wir müssen sicherstellen, dass diejenigen, mit denen wir bereits gesprochen haben, danach nicht in das Wartezimmer zurückkehren.«
Der Cordanzug nickte, während er sich mit zittrigen Fingern immer wieder durch die ordentlich unordentliche Frisur fuhr.
»Bitte geben Sie uns so schnell wie möglich die Namensliste für Zeynep, damit wir bei unseren Gesprächen schon wissen, wer mit beiden zu tun hatte.«
Die Vorbereitungen nahmen einige Zeit in Anspruch, und ich betrachtete das Chaos mal hier, mal dort. Die Tafelspitze versuchten, die in Tränen aufgelösten Lernwichtel zu beruhigen, was niemandem gelang. Stattdessen wechselten einige Lehrer die Seiten und flennten gleich mit. Ganze Weibercliquen hingen als
Weitere Kostenlose Bücher