Kühlfach betreten verboten
Frau auszusehen hat.
»Zahnspange und Brille geht gar nicht«, hatte ich gesagt. »Oder siehst du hier ein Perlhuhn mit Glotzbausteinen und getackerten Zähnen?«
Wir waren in der Russendisko und um uns herum Tussen in Panoramablusen, Hotpants oder Miniröckchen, die manche Leute für Gürtel halten mochten.
Edi erwiderte nichts. Ich hatte den Eindruck, dass sie schmollte.
»Die Haare müssen lang sein, da bist du auf dem richtigen Weg, aber dieses Wühlmausbraun ist nur was für unter der Erde. Blond ist gut.«
Ich spürte, dass Jo mir heimlich recht gab, sich aber nicht traute, das auch laut kundzutun. Bülent blühte bei dem Wort blond verschämt auf.
»Schuhe müssen mindestens sieben Zentimeter Absatz haben …«
»Das ist schlecht für den Rücken«, warf Edi ein.
»Dein Rücken interessiert Männer nicht. Da gibt es andere Körperteile, die wichtiger sind.«
Edi verdrehte die Augen, Jo verkniff sich ein Grinsen, Niclas hatte von der ganzen Diskussion nichts mitbekommen, weil er im Subwoofer herumwaberte, und Bülent schwieg schon die ganze Zeit peinlich berührt, lauschte aber aufmerksam.
»Kommen wir zum Lippenstift«, sagte ich.
»Lippenstift ist ungesund«, laberte Edi wie auf Knopfdruck los. »Wenn man sich jeden Tag die Lippen schminkt, isst man über drei Kilo von dem Zeug im Laufe seines Lebens.«
Was interessiert es einen Mann, womit die Weiber sich die Figur versauen, dachte ich. Zumal mir nicht klar war, wie viele Kalorien Lippenstift hat. »Stell dich nicht so an«, sagte ich. »Eine Frau ohne Lippenstift ist keine Frau, sondern ein Kleiderständer.«
Ich zeigte Edi mehrere Bettwärmer, die meinen Vorstellungen entsprachen, aber Edi konnte mir nicht folgen. Ich hoffte, dass mit den Hormonen auch das Verständnis für anständige Klamotten erblühen würde, sonst hatte die Zahnspange keine Schnitte im Leben.
Auf dem Rückweg hatten wir dann noch U-Bahn -Surfen gespielt. Die Druckwellen, wenn die U-Bahn einen trifft und durch die dunklen Röhren schleudert, sind ein geiles Gefühl. Jedenfalls für alle außer Jo, dem wurde jedes Mal schlecht. Weichei.
Freitag, 02 Uhr 27
Als ich die Klinik verließ, war ich zu unruhig, um mich in Birgits Klamotten zu kuscheln, daher düste ich einfach ziellos durch die Stadt, während meine Gedanken fast ebenso unsortiert um sich selbst kreisten. Eher unbeabsichtigt schlenderte ich zurück zu dem Club mit den dicken Karren davor.
Ich hatte es den Rotznasen nicht gezeigt und würde es nie zugeben, aber ich vermisste mein Leben. Autos klauen ist eine verdammt geile Angelegenheit. Du hast mehr Adrenalin als Blut in den Adern, und dann sitzt du in einer Schüssel, die ein paar Hundert PS auf die Straße bringt, und drückst das Gaspedal durch. Natürlich nur bis zur erlaubten Höchstgeschwindigkeit, denn geschnappt werden die meisten Idioten nur dadurch, dass sie einer Verkehrskontrolle auffallen.
Diese Karre ist dann für ein paar Stunden ganz dein. Du sitzt in dem weichen Leder, das noch ganz neu riecht, du kitzelst den Motor, dass er vor Lust stöhnt, und du weißt, dass du dir dieses Schätzchen genommen hast.
Nicht gekauft, das kann ja jeder. Nein, du hast es genommen, und deshalb gehört es dir mehr, als es seinem eigentlichen Besitzer mit dem dicken Bankkonto gehört.
Ich schwebte also ein bisschen wehmütig über den heißen Schlitten, als ich eine Bewegung bemerkte, wo eigentlich keine Bewegung hätte sein dürfen: In dem dichten Schatten unter dem Baum am Ende des Parkplatzes. Ich flog näher ran, und mein Blick blieb an etwas hängen, was weder vier Räder noch zwei Hupen hatte und trotzdem sofort meine gesamte Aufmerksamkeit beanspruchte: Sibels Bruder Akif. Er drückte sich mit einem anderen Typen in der dunkelsten Ecke des ganzen Viertels herum und tat so, als würde er mit seinem Kumpel gemütlich eine Kippe rauchen. Aber ich hatte die winzige Bewegung gesehen, mit der die Übergabe stattgefunden hatte. Was dort den Besitzer gewechselt hatte, ließ sich natürlich aus der Entfernung nicht erkennen, aber ich glaubte nicht, dass sie Fußballbildchen oder Briefmarken tauschten. Wenn Typen wie diese in Ecken wie diesen Übergaben wie diese machten, ging es meist nur um eine Sache: Drogen.
Der Kerl, der Sibels Bruder da Gesellschaft leistete, sahaus wie die meisten Typen, die in dieser Gegend herumhingen. Ein bisschen Gangsta, ein bisschen Zuhälter, ein bisschen Psycho. Altölafro, Goldvermögen am Hals, irrer Blick. Solchen Typen
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