Kühlfach betreten verboten
Flugbetrieb lahmgelegt wird, wenn der elektronische Bombenspürhund spinnt?
Ich schaltete mich vor die große Anzeigetafel in der Halle und beobachtete die blinkenden grünen Lichter, die das Boarding anzeigten. Jetzt sollte ich mir ganz schnell etwas einfallen lassen, um den Start von Mariams Maschine zu verhindern.
Ich könnte versuchen, die Radarkeule zu stören. Ja, die heißt wirklich so. Ohne Radar kein Instrumenten gesteuerter Landeanflug. Leider war ich schon mal versehentlich in so einen Radarstrahl reingeflogen und er hatte mich fast auseinandergeblasen. Ob ich den Radarstrahl gestört hatte, wusste ich nicht. Aber vermutlich nicht genug, um mein Leben aufs Spiel zu setzen.
Ich könnte …
Auf der Tafel erschien hinter dem Flug IR 728 nach Teheran die Bemerkung VERSPÄTET. Eine Sekunde später war auch der zweite Flug verspätet, dann sauste das Wort die gesamte Abflugtafel runter. Hatte meine Sicherheitskontrollaktion also doch den gewünschten Erfolg gehabt. Na bitte, wer sagt’s denn!
Ich schaltete mich in den Tower, um zu erfahren, wie es weitergehen würde und wie viel Zeit ich wohl mit meiner megacoolen Superaktion gewonnen hatte. Dort oben empfing mich ein Elektronenstrudel, der mich fast von den Füßen riss – virtuell natürlich. Irgendetwas wirbelte im Kontrollraum herum. Dieser Wirbel drehte sich um sich selbst und umkreiste gleichzeitig den Raum, sodass er in regelmäßigen Abständen bei jedem Fluglotsen vorbeikam. Ein im Kreis fliegender Tornado. Die Fluglotsen saßen mit hochroten Köpfen und hektischen Blicken in ihren schicken, bequemen Sesseln und sabbelten aufgeregt in ihre Headsets.
Natürlich, die Headsets! Ich kann dazwischenquatschen, wenn Martin seine Berichte über ein schnurloses Headset in seinen Computer diktiert, und hier klappte das ganz genauso.
Ich folgte dem Tornado, indem ich mich ganz vorsichtig von hinten näherte, und erkannte den feuermelderroten Haarschopf. Niclas. Der Knirps hatte mich doch glatt an die Wand gespielt.
»Das wollte ich auch gerade machen«, sagte ich betont lässig. »Nett, dass du schon mal angefangen hast.«
»Quatsch nicht rum, hilf mir.«
Ich fing am entgegengesetzten Ende des Raumes an und folgte Niclas in gleichbleibendem Abstand. Die Fluglotsen hatten jetzt jeweils nur noch wenige Sekunden lang Kontakt zu den Flugzeugen, bevor wieder einer von uns vorbeikam und aus den Kopfhörern nur noch Rauschen drang.
Wir kreiselten eine ganze Weile so herum, nur ab und zu legte ich eine Pause ein, um die Lage zu peilen. So bekam ich mit, dass der Obermufti irgendwann die Anweisung gab, den Flughafen zu schließen. Bis auf Weiteres lag der gesamte Betrieb lahm, alle Maschinen blieben am Boden, auch Landungen wurden verboten. Mariam war erst mal sicher.
Ich ließ Niclas im Tower, damit er die Luftverkehrsschuposimmer mal wieder daran erinnern konnte, dass die Lage alles andere als sicher war, und schaltete mich zu Jo.
»Der Flughafen ist dicht«, erklärte ich ihm.
»Hab ich schon mitbekommen«, entgegnete er strahlend.
»Das ist übrigens kein Zufall, Freundchen, sondern mein Werk.«
»Du bist so cool«, jubelte Jo. »Jetzt kann Mariam hierbleiben.«
Ich besah mir die hektisch in ihre Handys quatschenden Bullen und hatte eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wo Mariam die Stunden bis zum Abflug verbringen würde, wollte Jo aber nicht den Spaß verderben. Seine Angebetete im Abschiebeknast zu sehen war bestimmt nicht sehr romantisch. Jetzt war nur die Frage, ob Martin und Gregor endlich zu einem Entschluss gekommen waren, also zischte ich zum Rechtsmedizinischen Institut.
Der Sektionstrakt war leer. Also natürlich nicht leer, denn in siebzehn Kühlfächern schimmelten Leichen herum, aber weder Martin noch Katrin noch Gregor waren dort. Auch das Ohr war verschwunden, der Edelstahltisch glänzend sauber.
Ich suchte Martin in seinem Büro, fand ihn aber auch dort nicht. Teeküche, Klo, keine Spur. Da sein Mantel aber ordentlich auf dem Bügel an der Garderobe hing, musste er im Haus sein. Ich gondelte langsam durch die Flure, um eine Peilung zu ihm zu bekommen, und fand ihn im Büro des Chefs.
Martins Chef war ganz okay. Immerhin hatte er Martin bisher weder gefeuert noch in eine geschlossene psychiatrische Anstalt eingewiesen, obwohl Martin sich gelegentlich ausgesprochen seltsam benahm. Er redete laut mit sich selbst (dass er mit mir sprach, wusste ja niemand), er ließ Dinge fallen, weil er sich plötzlich vor
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