Kühlfach betreten verboten
Abschiebebulle lauschte eine ganze Zeit lang, dann beendete er das Gespräch und nickte Gregor zu.
»Sie können sie mitnehmen. Aber wenn Sie mit ihr fertig sind, bringen Sie sie in die Abschiebehaft.«
Gregor nickte, Bieberstein wollte protestieren, aber Gregorfasste seinen Arm und drückte fest zu. Bieberstein hielt die Klappe. Der Bulle holte Mariam, machte eine Notiz auf dem Abschiebebefehl, dass die Abschiebung so lange ausgesetzt war, wie die Person von der Kripo als Zeugin gebraucht wurde, und hielt Gregor das Papier zum Unterschreiben hin. Während Gregor schrieb, heulte Jo in mein Ohr und Bieberstein zog einen Fluntsch, als hätte jemand seinen Ferrari mit Diesel betankt.
Ich brauchte mir mein breites Grinsen gar nicht zu verkneifen, denn weder Bieberstein noch der Abschiebebulle konnten mich sehen. Gregors Unterschrift jedenfalls, und damit meine ich die, die er normalerweise unter Vernehmungsprotokolle oder auf der Bank aus der Feder fließen lässt, hatte mit dem surrealistischen Geschmiere auf dem Abschiebebefehl für Mariam Barahni nicht die geringste Ähnlichkeit. Es würde verdammt schwierig werden, den zuständigen Bullen zu finden, der dafür haftete, dass Mariam nach ihrer Zeugenaussage ordnungsgemäß abgeschoben wurde. Gregor ist ein guter Bulle, auch wenn im Grunde seines Herzens ein ausgebuffter Anarcho haust.
Dann zogen die beiden Männer mit dem blassen Mädchen in der Mitte ab. Jo umkreiste Mariam in heller Aufregung.
»Sie dürfen sie nicht abschieben«, flüsterte Bieberstein, sobald sie außer Hörweite des Bullen waren. »Sie gehört zu einer verfolgten Familie von Regimegegnern. Ihr Vater und ihr Großvater wurden ermordet und sie würde mit Sicherheit dasselbe Schicksal …«
»Wir werden sehen«, schnitt Gregor ihm das Wort ab, dann verfiel er in mürrisches Schweigen. Er schwieg den ganzen Weg zurück zum Polizeipräsidium, platzierte Bieberstein und Mariam in einem Zimmer, das er von außen abschloss, und ging erst mal einen Kaffee holen. Dann holte er Jenny aus ihrer Folterkammer.
»Sagt er was?«, fragte er sie auf dem Flur.
»Keinen Ton. Ich bin sicher, dass er weiß, wer der Mörder ist, oder es zumindest vermutet. Aber entweder hat er Angst oder er fühlt sich dem Mörder mehr verpflichtet als seiner Schwester.«
Gregor seufzte. »Okay. Wir können ihm nichts nachweisen, also bekommen wir keinen Haftbefehl, also müssen wir ihn laufen lassen. Komm mit rüber zu mir, ich habe Bieberstein und Mariam da.«
»Sibel kam zu uns in die Schule. Sie erzählte uns, wie sie alles daransetzte, ihren Traum zu verwirklichen, Lehrerin zu werden«, sagte Mariam leise. Man musste die Lauscher schon sehr spitzen, um sie zu verstehen. »Sie wollte uns Mut machen, selbst solche Berufe zu ergreifen, die normalerweise von Ausländern nicht ausgeübt werden. Also eben nicht nur Friseurin, Dönerkoch oder Kfz-Mechaniker. Ich bin nach der Stunde zu ihr gegangen und habe mich bedankt. Sie fragte, was ich werden möchte, und ich sagte, dass das sowieso alles egal sei, weil ich bald abgeschoben werden würde.«
»Da hat sie ihr die Adresse des Kirchenasyls gegeben«, fuhr Bieberstein fort. »Das tat Sibel immer, wenn sie wusste, dass jemandem eine Abschiebung droht. Aber die wenigsten kommen.«
»Warst du damals in der Clique mit Yasemin, Zeynep, Mehmet und Dominic?«, fragte Jenny.
Mariam nickte.
»Wie kommt es, dass fünf so unterschiedliche Typen eine Clique bilden?«, fragte Gregor.
»Das wird in der Schule gefördert«, sagte Mariam. »Man bildet Projektarbeitsgemeinschaften, die nach Nationalitäten, Geschlecht und Altersgruppen möglichst gemischt sind. Wir sind dann irgendwie zusammengeblieben.«
»Obwohl Zeynep und Yasemin sich nicht ausstehen konnten«, sagte Gregor.
Mariam verzog den Mund zu etwas, das fast ein Lächeln hätte werden können. »Ja.«
»Warum?«, fragte Gregor.
Mariam wurde zwar nicht rot, rutschte aber etwas auf dem Stuhl hin und her. »Es lag an Dominic. Er ist immer fröhlich und so …« Sie machte eine Pause. »Zielstrebig. Ja, das ist das richtige Wort. Wenn er eine Idee hatte, setzte er sie um. Wenn ihn etwas störte, änderte er es. Wenn er es nicht ändern konnte, zum Beispiel weil es eine Schulregel war, sprach er mit allen Leuten, die die Regel hätten ändern können. Das hat mich sehr beeindruckt, denn viele Leute jammern nur, wenn ihnen etwas nicht passt.«
Sie machte eine kleine Pause. »Außerdem ist er immer nett zu allen. Er macht
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