Kühlfach betreten verboten
quatschte denn die Alte immer dazwischen. »Die Kinder, Martin. Ich habe drei gefunden, aber sie wollen nicht ohne den vierten aufwachen, und jetzt sind alle weg. Du musst das Aufwachen verhindern.«
»Und wie …«, stammelte er.
»Scheißegal wie«, brüllte ich.
Er zuckte zusammen.
»Ruf in der Uniklinik an, schick die Bullen hin, was auch immer du tust, tu es JETZT!«
»Entschuldige. Ich muss mal dringend …«, nuschelte Martin, entzog Birgit seine Hand und stürmte aus dem Zimmer.
»Viele Männer sind dem nicht gewachsen, vor allem bei dem ersten Vaginal-Ultraschall. Das wird schon werden mit der Zeit«, tröstete Frau Doktor. »Was macht er denn beruflich?«
»Er ist Rechtsmediziner«, murmelte Birgit, während sie besorgt Martin hinterherblickte.
»Oh«, war das Letzte, was ich hörte, dann schaltete auch ich mich weg. Ich konnte nur hoffen, dass Martin seine Sache gut machte, denn ich wollte sehen, wie weit die Kripo inzwischen war.
Ich düste zur Schule und fand Jenny, die im Sekretariat stand, ihren Notizblock in die Tasche steckte und mit einem gemurmelten Abschiedsgruß den Raum verließ. Weder an der Art des Abschieds noch an ihrem Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, ob sie gute oder schlechte Nachrichten über Tristans Alibi bekommen hatte. Sie verließ das Gebäude und ging zu ihrem Auto auf dem Parkplatz. Während sie in ihrer Tasche nach dem Schlüssel fummelte, schweifte ihr Blick über den Platz und blieb an einem dunkelgrünenGeländewagen hängen, der gerade den Parkplatz verließ.
Sie reckte den Hals und starrte dem Wagen nach. Ich hatte die Karre aus einer anderen Perspektive gesehen, nämlich von weiter oben, aber auch ich hatte den Eindruck gehabt, den Fahrer zu kennen. Ich düste also hinter dem Jeep her (ein nicht ganz neuer Cherokee, der mal über dreißigtausend Peitschen gekostet hatte) und erkannte – Dominic Nolde.
Dominic Nolde in einem großen dunklen Geländewagen. Dominic Nolde, der letzte Woche auf einer Klassenfahrt in der Eifel gewesen war. In Hellenthal. Ungefähr sechs Kilometer von Schleiden entfernt.
Mit diesem Puzzlesteinchen ergab plötzlich alles einen Sinn. Dominic Nolde war die Verbindung zwischen Yasemin und Zeynep und Mehmet. Yasemin und Zeynep waren tot, Mehmet versteckte sich in Todesangst. Ich hatte noch längst nicht alle Details kapiert, aber eins wusste ich mit ziemlicher Sicherheit: Gregor war auf dem total falschen Weg.
Unter mir hatte Jenny ihren popelgrünen Beetle endlich aufgeschlossen, stieg ein und startete, bevor sie den Gurt angelegt hatte. Das tat sie, während sie mit quietschenden Reifen den Parkplatz verließ. Sie folgte Dominics Jeep mit einem Abstand von drei Autos.
Während ich den beiden folgte, versuchte ich, den Fall weiter zu rekonstruieren. Wir waren immer davon ausgegangen, dass die Teilnehmer der Klassenfahrt nicht als Täter infrage kamen, weil sie in der Eifel waren. Alle anderen Schüler waren vermutlich auch noch minderjährig, aber wir hatten gewusst, dass Dominic Nolde früher mit Şükrü Bozkurt in eine Klasse gegangen und dann ein Jahr im Ausland gewesen war. Bozkurt studierte. Trotzdem hatte niemand das Naheliegende in Betracht gezogen: dass Dominic volljährig war, einen Führerschein hatte und Auto fuhr.
Er musste irgendwann am Montag oder Dienstag in Hellenthal von seinem Klettertürmchen gekrabbelt und nach Köln gefahren sein, wo er Yasemin umbrachte und Sibel verschleppte. Dann schnell mit der Karre zum Schlafappell zurück in die Jugendherberge, und dem Lehrer fällt gar nicht auf, dass der Kerl zwischendurch weg war. Ob Dominic die Strecke am Donnerstag noch mal gemacht und persönlich dafür gesorgt hatte, dass Zeynep ein paar Pillen zu viel nahm? Natürlich! Auf dem Weg hat er auch gleich Akif das erste Ohr zugestellt.
Inzwischen war Dominic zu Hause angekommen, stellte den Wagen direkt neben der Haustür vor dem zugewucherten Garagentor ab und verschwand aus meinem Blickfeld. Ich wartete auf Jenny. Sie parkte fünfzig Meter von der Nolde-Villa entfernt auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Sie drückte auf eine Taste an ihrem Handy und erhielt die Nachricht, dass der Teilnehmer vorübergehend nicht erreichbar sei. Sie trennte die Verbindung und fluchte.
Die Tür der Villa ging auf und Dominic trat heraus. Er zog einen offenbar ziemlich schweren Pilotenkoffer hinter sich her.
Jenny fluchte noch mal, dann stieg sie aus.
»Nein!«, schrie ich, aber natürlich hörte sie mich
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