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Kühlfach vier

Titel: Kühlfach vier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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ihrem Kühlergrill |183| einen flauschigen Pelz, den man sofort streicheln wollte. Das ist derselbe Zwang, der jedes Kind im Streichelzoo überfällt.
     »Ein Kaninchen, Mami, ein Kaninchen«, und, schwupps, streichen klebrige Kinderhände über pelzige Rundungen. Martins Hände
     beherrschten sich jedoch mühelos. In Martins Hirn traute ich mich nicht, weil er ja nicht merken sollte, dass dieser Abend
     ein flotter Dreier würde.
    »Hast du Hunger?«, fragte Birgit. »Ich kann dir was zu essen machen.«
    »Nein, danke«, murmelte Martin. »Ich habe unterwegs bei Wätschi Pärädeis etwas gegessen.«
    Nanu, dachte ich. Habe ich da etwas übersehen? In Gedanken ging ich den Ablauf des Abends nochmal durch, und da kam die Erkenntnis.
     »Veggie Paradise« muss der Name dieser Imbissbude sein, wo man alles bekam außer einem ordentlichen Imbiss. Der besteht nämlich
     immer aus Fleisch. Burger, Currywurst, Zigeunerschnitzel, Halbes Hähnchen, das sind Imbisse. In dem Laden, in dem Martin war,
     gab es nur Veggies. Das hat mit Paradies nix zu tun. Das sollte man Gemüsehölle nennen. Oder Sprossengosse. Aber Birgit nickte
     nur und ging voraus ins Wohnzimmer.
    Zunächst das Wichtigste: Hier hingen keine Stadtpläne an der Wand. Auch keine kitschigen Bilder von Pferden mit langen Wimpern
     und fliegender Mähne, keine Skylinebilder mit echten Lämpchen und keine Clowns. An Birgits Wohnzimmerwänden hingen Urlaubsfotos.
     Hunderte. Mal mit Birgit, mal ohne. Mal von Großstädten, von denen ich auf Anhieb Paris erkannte, mal von Landschaften, die
     hauptsächlich grün aussahen. Irland vielleicht? Keine Ahnung.
    |184| Martin war offenbar noch nicht hier gewesen, denn er ging die Wände ab und betrachtete die Fotos, während Birgit eine Flasche
     Weißwein öffnete, zwei Gläser füllte und damit zu Martin trat.
    »Prost«, sagte sie und strahlte ihn an.
    »Auf dein Wohl«, sagte Martin und strahlte zurück. Aus den Augen und vom violetten Wangenknochen.
    Sie tranken, wie man Wein halt so trinkt. Schlückchenweise. Nicht wie Bier, die erste Dose auf ex und die zweite schon aufreißen,
     während man den von der ersten im System erzeugten Überdruck rauslässt. Nein, ganz zivilisiert. Als sie die Gläser abstellten,
     hätte ein unbeteiligter Beobachter nicht erkennen können, dass etwas fehlte.
    Martin ließ sich die Urlaubsbilder erklären, es war Paris und es war Irland, zu jedem Bild gab es eine kleine Geschichte und
     es wurde gelacht, zwischendurch am Wein genippt und die vorsichtigen Berührungen wurden häufiger. Mal zeigten beide gleichzeitig
     auf ein Bild und die Hände berührten sich, huch! Mal ging Martin schon weiter, während Birgit noch stehen blieb, Bodycheck,
     hoppla! Ich begann mein Fernsehprogramm zu vermissen. Wollte er die Schnalle jetzt flachlegen oder nicht? Ich war doch nicht
     hergekommen, um mir die Kindergartenversion von ›La Boum‹ anzusehen! Und offenbar hatte ich eine Verbündete, denn in dem Moment,
     in dem ich wirklich ungeduldig werden wollte, beugte Birgit sich zu Martin und küsste ihn. Auf den Mund. Na endlich! Ich wollte
     dem Häschen auf die flauschige Schulter klopfen, aber das ging ja leider nicht.
    Immerhin war ein Anfang gemacht, dachte ich. Jetzt wird Martin sicher loslegen, seine Hände unter ihren Pullover |185| schieben, die heiße Haut kneten, vor allem dort, wo sie sich über Rundungen spannt – und damit meine ich nicht die Schultern.
     Aber da hatte ich zu viel von Martin erwartet. Es war nicht so, dass er völlig passiv blieb, er hielt Birgit sogar im Arm,
     nachdem der Kuss beendet war, aber viel weiter ging er nicht. Jedenfalls nicht in einer Geschwindigkeit, die man mit bloßem
     Auge hätte wahrnehmen können. Aber wer Ente fährt, wird nicht wie ein Ferrari vögeln.
    Die weitere Annäherung ging im Zeitlupentempo voran. Es dauerte noch siebzehn Minuten, bis der Pulli auf der Couch landete,
     und weitere fünfundzwanzig, bis auch Birgits Hose daneben lag. Dann gingen sie ins Schlafzimmer, wo auch Martin Pullunder,
     Hemd, Hose und Socken auszog. Ab unter die Decke. Wenigstens blieb das kleine Nachtlämpchen an, dafür war ich ja schon dankbar.
     Es wurde mehr geknutscht, mehr gefummelt, alles natürlich sehr vorsichtig, aber immerhin bewegten wir uns in die richtige
     Richtung. Auch bei Martin bewegte sich was, er hatte also wenigstens kein körperliches Problem. Ich gebe zu, dass ich das
     befürchtet hatte, denn kein normaler Mann macht zwei Stunden rum, wenn

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