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Kühlfach vier

Titel: Kühlfach vier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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die nicht zimperlich sind. Wenn das, was du mir erzählt hast,
     stimmt, dann gibt es in dieser Geschichte bereits zwei Morde, die irgendwie zusammenhängen. Glaubst du, dass solche Leute
     vor dem Mord an einem kleinen Rechtsmediziner zurückschrecken?«
    Martin sackte in seinem Stuhl zusammen.
    Gregor legte ihm die Hand auf die Schulter. »Denk an meine Worte und geh ins Kino oder lad Birgit zum Essen ein oder tu sonst
     etwas Harmloses, das dich auf andere Gedanken bringt.«
    Martin nickte schwach und Gregor schlug ihm noch mal freundschaftlich auf die Schulter, bevor er ging.
    »Es gibt Neuigkeiten!«, sagte ich.
    Martin zuckte zusammen. »Hast du mitgehört?«
    »Na klar«, sagte ich gut gelaunt.
    »Dann hast du ja mitbekommen, dass Gregor die Informationen nicht herausrückt. Ich kann nichts mehr tun.«
    Ha, er glaubte doch nicht im Ernst, dass er sich so einfach aus der Affäre ziehen konnte?
    »Die Zeugin, die das Foto von deiner schönen Leiche in der Zeitung erkannt hat, heißt Ekaterina Irgendwas und wohnt nur ein
     paar Schritte von dem Klub mit dem Türsteher entfernt«, sagte ich – nein: jubelte ich.
    »Woher weißt du das?«, fragte Martin ganz und gar nicht begeistert.
    Ich erklärte ihm meinen Wissensvorsprung. Er zögerte.
    |175| »Die Zeugin ist total harmlos, die tut uns nichts. Wir gehen einfach hin und fragen sie nach Allem, was sie über die Tote
     weiß«, sagte ich.
    »Woher weißt du, dass sie harmlos ist?«, fragte Martin mit deutlich hörbarem Zweifel.
    »Weil sie sich selbst bei den Bullen gemeldet hat«, sagte ich.
    Man musste ihm aber auch alles erklären.
    »Ich rufe sie an«, sagte Martin.
    »Gute Idee«, sagte ich. »Sieh doch mal im Telefonbuch unter Ekaterina Irgendwas nach.«
    Martin schwieg.
    »Wir fahren heute Abend auf dem Nachhauseweg bei ihr vorbei«, entschied ich. Basta.
    Martin wandte sich wieder seiner Arbeit zu und aktivierte das Mikrofon, das er auf »Pause« stellte, wenn er gerade nicht diktierte.
     Zwar hatte er nicht eingewilligt, aber auch nicht widersprochen, und so wiederholte ich im Geiste gut gelaunt das Wort, mit
     dem der Italiener eine Diskussion beendet. Basta.
    Auf Martins Bildschirm erschien BASTA. Wir glotzten beide etliche Sekunden lang darauf. Sprachlos. »Wo kommt das her?«, fragte
     Martin laut.
    »Von mir«, antwortete ich.
    Beide Sätze erschienen auf dem Bildschirm.
    Wir starrten wieder.
    »Sag mal was«, dachte Martin. Der Bildschirm reagierte nicht.
    »Wie wird die Verbindung zwischen Kopfhörer und Computer hergestellt?«, fragte ich.
    Der Satz wurde geschrieben.
    |176| »Infrarotschnittstelle? Oder Bluetooth? Oder ist das dasselbe?«, dachte Martin, aber er sprach es nicht aus.
    Keine Reaktion.
    »Geil«, dachte ich, und das Wort erschien in schönen schwarzen Buchstaben.
    »Diese Art von Schnittstelle gefällt mir«, sagte ich. »Genau danach habe ich bei den Fernsehern gesucht. Damit ich sie selbst
     einschalten kann, wenn sie auf Stand-by stehen.« Wieder wurde der Satz geschrieben, aber statt »Standby« erschien das Wort
     »Standbein« auf dem Bildschirm. »Hey«, rief ich. »Was ist das denn?«
    »Wenn man nicht ganz deutlich spricht, missversteht das Programm manchmal ein Wort«, erklärte Martin.
    »Bei dir mag das vorkommen, aber ich nuschle nicht beim Denken«, sagte ich.
    Martin erwiderte nichts. Er war immer noch schockiert. Aber dann keimte plötzlich Hoffnung in ihm auf.
    »Du kannst dich bemerkbar machen«, sagte er. »Du kannst Gregor und allen anderen beweisen, dass es dich gibt.«
    Darüber musste ich erst mal nachdenken. Ausgiebig. Das sagte ich Martin, der mein Zögern gar nicht verstehen konnte. Ich hatte
     keinen Bock, das jetzt mit ihm zu diskutieren, und zog mich zum Denken zurück.
    Hätte ich glücklich sein sollen? Vermutlich. Im Moment war ich allerdings verwirrt. Diese Möglichkeit, die sich da eröffnete,
     war ein bisschen wie Internet-Chatten. Das ist so pervers, das kann man sich gar nicht vorstellen. Da treffen sich Leute,
     die sich gar nicht kennen, in einem Chatroom und erzählen sich die intimsten Details aus ihrem Leben. Ihre geheimsten Wünsche,
     ihre Gewaltfantasien |177| , ihre sexuellen Vorlieben. Selbstmordgedanken, Heiratsanträge, Beleidigungen, alles wird in die Welt geblasen, sodass es
     jeder lesen kann. Wie krank können die Menschen eigentlich noch werden? Und wie realitätsfern? Die fühlen sich verdammt noch
     mal unter Freunden in ihrem lauschigen, kleinen Chatroom, dabei kennen sie

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