Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten
zusammengeschlagen worden ist. Das hört
sich nicht danach an, als ob sich eine gläubige Familie um das Seelenheil eines Verwandten sorgt.«
»Nein.« Jenny schüttelte den Kopf, den sie tief über ihren Block gesenkt hielt. Plötzlich tropfte eine Träne auf das Papier.
Schnell wischte sie sich durchs Gesicht.
So schnell, wie Martin die Schublade aufgezogen und einen Schnodderfeudel herübergereicht hatte, können die meisten Männer
nicht einmal »Heulsuse« sagen. Er ist eben für alle Fälle gerüstet. Gleichzeitig herrschte Verwirrung in seiner Denkschüssel.
Warum heulte die Kommissarinplötzlich los? Hatte er etwas Falsches gesagt? War sie mit dem Fall überfordert? Übermüdet? War sie heimlich in Jochen – nein.
Martin rief sich zur Ordnung. Das konnte er sich nun wirklich nicht vorstellen.
»Was ist denn los?«, fragte er leise.
»Wenn ich ihn nicht aufgefordert hätte, die Obduktion gleich durchzuführen …«
Jenny schniefte ins Taschentuch. »Und dabei wollte ich diesmal wirklich alles richtig machen, nachdem ich letztens bei dem
Leichenfund gar keinen Rechtsmediziner …«
Ach, diese geistige Fehlzündung war auch aus Jennys Denkröhre gekommen? Na, die Gute war ja eine echte Bereicherung für die
Kölner Kripo. Der Gedanke brachte mir natürlich sofort einen Rüffel von Martin, dem Verständnisvollen, ein.
Martin legte Jenny die Hand auf den Arm. »Was mit Jochen passiert ist, ist nicht Ihre Schuld«, murmelte er. »Sie haben Ihren
Job gemacht. Das ist Ihre Aufgabe. Sie dürfen sich nicht die Verantwortung für das aufladen, was geschehen ist. Diejenigen,
die Jochen das angetan haben, sind die Bösen. Die müssen Sie fassen, okay?«
Jenny schniefte und nickte. »Entschuldigung.«
»Keine Ursache«, sagte Martin.
»Ich glaube, ich habe dann alles«, sagte Jenny, packte ihren Kram und ging zur Tür. Martin begleitete sie. Schon halb auf
dem Flur drehte Jenny sich um, legte Martin den rechten Arm um den Hals und küsste ihn auf die Wange. Dann ging sie schnell
davon.
Ich konnte es mal wieder nicht fassen. Martin ist so ein galaktischer Oberpeino, aber er hat irgendetwas an sich, das die
Frauen süß finden. Wie ein Teddybär mit aufgeplatzten Nähten. Etwas, das die Weiber dazu bringt, ihn zu knuddeln und ihm einen
Kuss auf die glatt rasierteWange zu geben, weil er so verständnisvoll ist, sich so nett um sie gekümmert und sie getröstet hat.
Eigentlich eine schöne Sache. Blöd war nur, dass Birgit vom anderen Ende des Ganges die Aktion mit angesehen hatte. Sie erstarrte,
machte ein paarmal den Mund auf und zu, drehte sich um und verließ das Gebäude mit energischen Schritten.
ACHT
Martin arbeitete das Wochenende durch, denn ohne Katrin und ohne Jochen waren die Obduktionen heillos im Rückstand. Dass Birgit
am Telefon extrem kurz angebunden war, als er ihr erklärte, dass er leider keine Zeit für Wohnungsbesichtigungen habe, fiel
ihm gar nicht auf. Auch dass sie abends ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit keine Zeit für ihn fand, nahm er einfach so hin
und widmete sich stattdessen endlich einmal der Katalogisierung der Straßennamen alter Stadtpläne aus der Zeit vor achtzehnhundertsiebzig.
Meine ganze Hoffnung lag darin, in Irinas Nähe zu sein, aber sie blieb von Freitagabend bis Sonntagnacht verschwunden. Sie
war ans Meer gefahren, wie ich erfuhr, als sie endlich wieder auftauchte. Ich glühte vor Wut, dass ich schon wieder einen
Ausflug verpasst hatte. Langsam begann ich mir ernstliche Sorgen über unsere Beziehung zu machen. Ich musste der Wahrheit
ins Auge blicken: Vermutlich hatte sie einen heimlichen Lover.
Und so war nicht nur meine, sondern auch die Stimmung im Institut am Montagmorgen unterirdisch. Martin saß inzwischen allein
in seinem Büro. Katrin sonnte sich immer noch an einem hoffentlich mückenverseuchten skandinavischen Abwassertümpel, während
Jochen auf der Intensivstationweiterhin um sein Leben kämpfte. Der Weckruf der Institutsleitung kam Martin also gerade recht. Wenigstens hatte er jetzt
einen Anlass, sein verwaistes Büro zu verlassen und sich unter lebende Menschen zu mischen. Auch wenn Martin, das konnte ich
deutlich spüren, den zu erwartenden Neuigkeiten mit eher gemischten Gefühlen entgegensah.
»Sie haben alle von den aktuellen Vorkommnissen erfahren«, begann das Sparschwein, das auch heute wieder zehn Minuten nach
der festgesetzten Zeit erschien, was den Mitarbeitern die Gelegenheit
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