Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten
gegeben hatte, sich flüsternd über die neue Katastrophe
auszutauschen.
»Natürlich haben diese Vorkommnisse bereits Einfluss auf die Geschäftstätigkeit genommen.«
Martin wollte sich schon etwas gerader hinsetzen, um das Lob des Chefs für die zwanzig am Wochenende geleisteten Überstunden
entgegenzunehmen, als Forch auch schon weitersprach – und Martin wieder in sich zusammensank.
»Es wurden bereits Kühlfach-Buchungen storniert.«
Kollektives Aufatmen unter den Kollegen. »Das hat ja auch mit unserer eigentlichen Arbeit nichts zu tun«, dachte Martin. »Im
Gegenteil: Ich wäre froh, wenn wir zu allem anderen Übel nicht auch noch das Theater mit den Bestattern hätten. Das dauernde
Leiche-rein-Leiche-raus geht uns doch allen auf den Sender.«
»Ich möchte Sie daher alle bitten, sich mit negativen Äußerungen über das Institut, die Situation in der Prosektur oder die
Sicherheitslage auch intern zurückzuhalten. Klatsch und Tratsch zu diesem Thema ist unerwünscht. Das gilt für die Büros, die
Teeküchen und die Flure. Gespräche mit den Medien sind verboten. Gespräche mit Angehörigen, Freunden und Bekannten zu diesem
Thema ebenfalls. Sollte jemand von Ihnen darauf angesprochenwerden, sagen Sie bitte, dass Sie über Interna nicht sprechen können.«
Die versammelten Akademiker saßen da wie eingefroren.
»Sicher wird sich auch die Polizei noch mal bei einigen Kollegen melden. Jede Kontaktaufnahme muss ab sofort an mich weitergeleitet
werden. Noch Fragen?«
Martin hob die Hand. »Wenn ein zuständiger Ermittlungsbeamter anruft und mich fragt, wo ich zu einer bestimmten Zeit war,
darf ich ihm dann eine Auskunft geben oder nicht?«
»Nein«, erwiderte das Sparschwein. »Sie informieren den Beamten, dass jede Anfrage, jede Nachfrage, jede Ermittlungstätigkeit
über mein Büro läuft. Ich werde den Kontakt herstellen, sofern das nötig ist.«
Martin nickte nicht. Er sagte nichts. Er starrte das Sparschwein nur nachdenklich an. Das gilt bei ihm schon als Insubordination
ersten Grades.
»Haben Sie diese Anweisung alle verstanden?«, fragte das Sparschwein und blickte jedem Mitarbeiter ins Gesicht. Die meisten
nickten mehr oder weniger deutlich. Zuletzt sah das Sparschwein Martin ins Gesicht.
Martin nickte langsam, während in seinem Hirn die Worte »Das ist nicht rechtens, das kann nicht rechtens sein!« auftauchten.
»Jede Zuwiderhandlung zieht eine Abmahnung nach sich. Institutsschädigendes Verhalten kann mit Beurlaubung oder, in schweren
Fällen, mit Kündigung geahndet werden. Sollten Sie Kenntnis über derartiges Verhalten von Kollegen erhalten, erwarte ich eine
Meldung.«
Das Entsetzen, das bei diesen Worten wie ein Eishauch ins Konferenzzimmer wehte, war fast mit Händen zu greifen.
»Zum Schluss noch eine sehr gute Nachricht.«
Ein Hoffnungsschimmer zeigte sich auf den meisten Gesichtern. »Jochen geht es besser«, dachte Martin.
»Die Sicherheitssituation in der Prosektur wird gerade überarbeitet. Ab sofort ist die elektronische Zugangskontrolle außer
Kraft gesetzt, die neue Tür wird mit einem traditionellen Sicherheitsschloss ausgerüstet. Das bedeutet: Ihre Magnetkarten
sind zwar weiter für die Büros, aber nicht mehr für die Eingangstür der Prosektur gültig. Jeder von Ihnen, der dort zu tun
hat, bekommt einen Schlüssel. Bitte holen Sie diese Schlüssel im Sekretariat ab. Danke für Ihre Kooperation.«
Mit diesen Worten erhob sich das Sparschwein und troddelte hinaus.
Die Rechtsmediziner, Präparatoren, Assistenten, Biologen, Chemiker, Toxikologen, Laborratten und Verwaltungsmitarbeiter saßen
und standen wie vom Donner gerührt. Sie blickten in die Gesichter ihrer Kolleginnen und Kollegen. Manche besorgt oder spöttisch,
andere entsetzt und wütend. Unbeteiligt war keiner von ihnen.
»Ich dachte, er sagt was über Jochen. Stattdessen preist er blöde Schlüssel an, als wären sie die Rettung aus der Not«, empörte
sich ein Typ, dessen Namen ich nicht kannte. Biologe, glaube ich.
»Redeverbot! Ich glaub es nicht!«, rief eine Chemikerin.
Martin blieb still. Aber er dachte sehr deutlich: »Da mit ist jedes Vertrauen, jede Kollegialität, jeder Gemeinschaftssinn zerstört.«
»Warum?«, fragte ich zurück. »Ihr seid doch alle in derselben Situation.«
»Nein«, entgegnete Martin. »Auch wenn wir normalerweise alle gut miteinander auskommen, gibt es ab sofort die Befürchtung,
dass sich jemand beim Chef lieb Kind machen
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