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Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten

Titel: Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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will. Also wird jeder jedem misstrauen, wir könnennicht mehr miteinander reden, ohne die Sorge zu haben, dass einer petzen geht. Die Angst, die wir alle haben, wird nicht nur
     kein Ventil mehr finden, sondern sogar noch zunehmen, weil jetzt die Angst vor den eigenen Kollegen dazukommt.«
    »Hey, Martin, du bist ja ein Psychologe!«, rief ich aus, aber er lächelte nicht.
    »Ich frage mich nur, was das Sparschwein sich dabei gedacht hat   …«
     
    Ab sofort war die Stimmung nicht nur unterirdisch, sondern sogar unterunterirdisch. Martin sabbelte seine Berichte in den
     Computer, ging gar nicht mehr in die Teeküche, und Gespräche unter Kollegen wurden auf das Fachliche beschränkt. Wenn er zwischendurch
     Zeit hatte, brütete er über den Akten mit den Narkosemittel-Leichen oder recherchierte im Internet zu diesem Thema. Das war
     allerdings wenig ergiebig.
    Mich belastete die Atmosphäre sehr, denn auch wenn Martin gelegentlich meint, ich sei ein herzloses Ungeheuer, stimmt das
     nicht. Mir geht schlechte Stimmung auf den Sack. Also verließ ich das Institut und düste zu Irina. Besser gesagt: Ich suchte
     sie. Ich fand sie nicht in der Uniklinik und zischte zur Praxis. Bingo.
    Sie verarztete wieder haufenweise Leute mit allen möglichen Gebrechen. Meist schlimme Sachen. Gebrochene Arme und Beine, offene
     Wunden, ein junger Mann, der ganz gesund wirkte und mich an einen Latino-Schauspieler erinnerte, hatte offenbar ein Problem
     an einer Niere. Er war am Boden zerstört, als Irina ihm die Diagnose überbrachte, aber sie tröstete ihn gleich: »Das kann
     man operieren.«
    Der schöne Latino kapierte erst mal nichts. Sein Kumpel übersetzte.
    »Aber   …«, begann er, als er endlich kapiert hatte, was operieren bedeutete.
    »Nichts aber«, sagte Irina. »Machen Sie sich keine Sorgen, das ist ein Routineeingriff.«
    »Aber   …«, sagte er noch mal und machte die international bekannte Geste für Geld.
    »Nein«, sagte Irina. »Das kostet nichts. Ich melde mich bei Ihnen, wenn wir einen Termin haben«, sagte Irina, der Kumpel übersetzte
     und der Typ hätte ihr fast die Füße geküsst.
    Meine Irina! Ja, sie war schon ein wirklicher Engel.
     
    Viktor kam abends pünktlich zum Dienst. Abgesehen von seinem weißen Mull-Turban, der seinen dicken Kopf noch dicker erscheinen
     ließ, tat er, als ob nichts geschehen wäre. Was nicht ganz leicht war, da die Eingangstür zwar ausgetauscht worden, aber die
     schwarzen Explosionsspuren an den Türwangen und der Wand noch deutlich zu sehen waren. Außerdem stand die Blaulichtschaukel
     weiterhin neben dem Eingang.
     
    Martin war nach dem Dienst nach Hause gefahren, hatte ein paar Stadtpläne sortiert und war unbeabsichtigt auf der Couch eingepennt.
     Daher fiel ihm auch nicht auf, dass Birgit weder anrief noch vorbeikam.
    Das Leben war öde, und ich war voll depri drauf, daher hängte ich mich ins Kino und glotzte Actionfilme, die ich schon kannte,
     und dann noch einen Harry Potter, obwohl ich die Filme nicht leiden kann, weil Harry so ein egoistischer kleiner Hosenscheißer
     ist, der mir mit seinem leidenden Gesichtsausdruck furchtbar auf die Eier geht.
    Aber Quidditch würde ich gern mal spielen. Ich habe alle Voraussetzungen: Ich bin flugfähig, schnell, wendig und gemein. Dummerweise
     bin ich allein. Das ist fürTeamsport ziemlich hinderlich, aber es hielt mich nicht davon ab, den Rest der Nacht zu trainieren. Sollte mir jemals eine
     weitere Seele begegnen, würde ich sie sofort in mein Team aufnehmen. Sofern es diesmal etwas anderes sein würde als eine Nonne.
     
    Um sieben Uhr am nächsten Morgen saß Martin am Schreibtisch und diktierte aufgeregt E-Mails .
    »Hey, was liegt an?«, rief ich.
    »Die Sache mit den Medikamentenopfern   …«, dachte Martin kurz in meine Richtung. »Mir ist da eine Idee gekommen. Bisher habe ich nur versucht, Krankenhäuser zu finden,
     die sich an diese Patienten erinnern konnten, aber jetzt ist mir ein zweiter Weg eingefallen. Ich versuche, herauszufinden,
     welche Krankenhäuser überhaupt dieses Narkosemittel verwenden.«
    »Gar nicht so doof«, erwiderte ich. Auch Martin braucht hin und wieder ein Lob, und nach meinen Überlegungen in Sachen Teamsport
     war mir wieder einmal meine Einsamkeit bewusst geworden. Daher war ich vielleicht etwas netter zu ihm als normalerweise. Und
     weil ich mich mal wieder an den Verlag erinnert hatte.
    »Darum kann ich mich jetzt nicht kümmern«, fuhr mir Martin gedanklich in die Parade.

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