Kuenstlernovellenovellen
Bühne, durch das Loch im Vorhang, hinter dem mein Platz ist! Hab' ich alle begehrt!'
Mario Malvolto legte den Kopf in den Nacken, stöhnte und schaute tief in den bleichen Fluß der Sterne. ,lch kannte fast alle. Ein paar hatte ich besessen, einige andere könnte ich haben. Wozu? Soll ich sie zu meiner sentimentalen Erziehung und zu meinem gesellschaftlichen Fortkommen benutzen wie die kleine Prinzessin Nora, oder zum Studium von zwanzig verschiedenen Rollen, wie Tina, die Tragödin? Oder sollen sie arme, leere Gliederpuppen sein wie Mimi, und ich behänge sie im Traum mit Leidenschaften, die weder sie erleben werden noch ich? Sollen sie zum Schluß dahinterkommen, wer ich bin, und mich beleidigt und voll Verachtung wegschicken? ... Man wird müde, die Sterne dort oben mit den Augen zu pflücken, einen nach dem andern, und am Ende nichts in den Händen zu halten ... So glänzten sie auf den Rängen heute abend.' Er betrachtete einen großen, reifen Stern. ,Die Linozzo. Ägyptisch platte, lange Nase, lange Augen eng beieinander. Die Brauen dicht unter der fettschwarzen Haarwelle. Weiter weicher Mund, feucht, tief gefärbt, beweglich. Sie ist am begehrenswertesten, wenn sie einen hellglitzernden Fächer an den Mundwinkel hält, oder wenn sie über die Schulter weg, den Kopf zurückgelegt, aus den Ecken ihrer Augen lächelt... Solange ich in der Loge der Königin war, hat sie immerfort hingesehen. Sie ist ehrgeizig, ich könnte sie haben.'
Seine Augen hängten sich an andere Gestirne. ,Die Borgofinale. Ein fettes Profil mit hängendem Kinn, wildäugig aus einem heftigen Wulst braunroter Haare hervor, über einem mächtigen Hermelinkragen. Das war eine der ersten, die mich hinaufgehißt haben. Auf ihrem zerstörten Gesicht treffe ich meine Erinnerungen an so viele erlogene Aufregungen. Sie aber war vielleicht ehrlich?
Eine Unmögliche: die Lancredoni. Magere Prinzessin von bräunlicher Haut. Ein steiler Hals trägt den kleinen starren Kopf, mit der entweichenden Linie von Nase und Stirn. Der Spitzenärmel entfaltet sich sehr tief unter der nackten Schulter, die abfällt, zerbrechlich, rein. Unter den kalten Blitzen ihres Diadems gähnt die Prinzessin... Und heute abend, hinter meinem Vorhang, hab' ich sie vergewaltigt! Ich habe zu ihr hinauf triumphiert, wissend, daß ich mehr von ihr schmecke als der, der sie jede Nacht in den Armen hielte! Was bleibt davon übrig? Vielleicht ein paar Zeilen, die ich drucken iasse. Aber für mich, in der Seele? ...
Die jungen Mädchen! Da saßen sie, ganz nah, und spähten helläugig aus einer Welt hervor, in die kein Weg führt. Die Cantoggi traf einmal mein Auge, im Loch des Vorhangs. Ich erschrak tief über diesen Blick, den sie aussandte, ohne zu ahnen wohin.
Welche von ihnen kommt und nimmt mich bei der Hand und führt mich heimwärts in ihr Land, wo man stark und mit Unschuld empfindet!
Keine. Denn sie haben selbst nichts Eiligeres zu tun, als die Komödie zu erlernen. Gemma Cantoggi, das Kind, frisch vom Lande, heiratet den Lanti, einen Viveur auf dem Abmarsch. Sauber ist das.
Verlangt man von einer, sie solle machen, daß man sich selbst vergißt — wahrscheinlich darf man auch von ihr nichts wissen? Im Parkett saß eine Fremde, ein schönes, starkes Profil unter der Samtschleife des großen Hutes. Eine wehende Krawatte hüllte sie bis an den Mund in rosige Gaze ...'
Mario Malvolto träumte noch, als er auf den Platz von Settignano einbog. Der niedrige, flach geschweifte Kirchengiebel war vom Mond bläulich gepudert. Eine einsame Laterne erblindete in der weiten Sternennacht, in deren Mitte auf seinem Hügel das Städtchen schlief. Ein Geräusch verlor sich irgendwie. Mario Malvolto sah dahinten in der langen Gasse etwas Dunkles sich bewegen. Gewiß, es war der Wagen von vorhin; das Verdeck war aufgestellt. Mondstreif fiel plötzlich darüber; etwas Weißes hatte sich herausgebeugt. Wo in der Umgegend war dieses Gefährt zu Hause? Nirgends, sagte der Kutscher. Es verschwand im Schatten. Sie verließen die Gasse und fuhren ein Stück bergab. Mario Malvolto stieg aus, machte einige Schritte zwischen Hecken, elf Stufen hinan; da stand er vor seiner Tür. Sie war offen. Sein Diener lag schlafend davor.
Mario Malvolto stieg über ihn weg, er nahm im Vestibül die Lampe vom Tisch, ging die Treppe hinauf und betrat sein Arbeitszimmer. Auf der Bibliothek die Frauenbüsten in ihrer schmalen alten Tracht lächelten weiß, verschlossen, aus steilen Träumen; und auf ihren
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