Kuenstlernovellenovellen
austoben. Sie schlagen die Gestalten der Hölle aus dem Block heraus, und ihr Schmerz ist der Wirbelwind, der die Seelen durch purpurne Finsternis treibt... Zu denen will ich auswandern, in die hinein, die noch nicht auf die Launen ihrer Nerven lauschen; deren Schicksal noch nicht in ihrem armen Blut gefangen sitzt. Nein, draußen in freier Welt erwartet es sie zum Kampf, und sie dürfen hinstürmen! In ihr Leben dringe ich ein, wie in eine mit Dornenhecken umstellte, üppigere und jähere Welt, wo Gewalt geübt wird und trunkene Hingabe; wo namenlose Untergänge ausgekostet werden und unfaßbare Herrlichkeiten; wo man ganz lebt und auf einmal stirbt. Und die Frau, die du lieben könntest, Pippo Spano, die ist der Preis aller meiner Sehnsucht. Die tritt mir als die Letzte aus der von mir entzauberten Welt entgegen. Nicht wahr.
Und Mario Malvolto vergaß sich, er redete lauter. „Nicht wahr, sie tritt mir entgegen? Glaubst du es, Pippo Spano? Sie tritt -" Er brach ab: Da stand sie.
Sie stand auf der Schwelle des kleinen weißen Salons, den Mondstrahlen plötzlich aus seinem Schatten hoben. Sie war selber weiß und bedeckt mit Mondlicht. Ihr bleiches, kurznasiges Gesicht mit starken Lippen umrahmten schwere schwarze Flechten. Von ihrer kleinen, schmalen Gestalt, von Schultern und Nacken lösten sich gestickte Silberblumen bei jedem ihrer Atemzüge; sie lebten mit ihrem Atem. Sie hob ihren Arm zum Vorhang an der Tür - und der Ärmel aus lauter Blumenkelchen fiel auseinander in viele blasse Blätter, ihr Arm stand darin als Blütenstempel, schimmernd von Mond.
Mario Malvolfo war zurückgewichen. Er griff sich an die Stirn. Eine Sinnestäuschung? Er hatte viel getrunken und noch mehr geschwärmt. Aber sein Herz ging ruhig und stark, er fühlte sich helleren, freieren Geistes als gewöhnlich. Wollte das da noch immer nicht verschwinden? ... Er machte zwei rasche Schritte darauf zu. Aber es blieb da, es sprach sogar. Das junge Mädchen sagte leise und einfach: „Mario Malvolto, ich liebe dich. Ich bin hergekommen, damit wir uns lieben."
Das Wunder
Da erkannte er Gemma Cantoggi. „Sie hier? Aber ein Wort, Contessa, hätte genügt", stammelte er. „Ich wäre zu Ihnen geeilt." „Nun bin ich schon da", erwiderte sie. „Aber Sie kompromittieren sich!" „Nein, nein. Wir haben ein Landhaus ganz nahe. Man glaubt, daß ich dort übernachte. Ich verlasse manchmal nachts unser Stadthaus, ich habe solche Launen. Meine Gesellschafterin ist mit mir gefahren, sie ist eingeweiht."
Er sah sie zweifelnd an. Das war die Cantoggi, die den Lanti heiraten sollte, einen Viveur auf dem Abmarsch; eine der sehr schönen Frauen, die eine Zeitlang von allen Männern begehrt, von allen Frauen gehaßt werden; um die ein Knabe Selbstmord begeht; die zwanzig Jahre lang an der Spitze der Mode tänzeln, und wenn sie vorüber sind, Unzähligen Glück versprochen, ein paar Geliebten ihr Versprechen gehalten, und in dem Gedächtnis einiger Alten den Rest eines berauschenden Duftes hinterlassen haben. Was waren sie selbst? Was erlebten sie? Er wußte es: Ihre Wirkung, das Martyrium des Mannes und den Applaus der Menge. Kam diese da als Kollegin, als Komödiantin zum Künstler? Wollte sie Rat holen, wie man nach ganz hohen Erfolgen greift? Er hatte von ihren Worten nichts erfaßt, glaubte keines; er fragte erregt: „Aber, was führt Sie her?"
„Die Liebe zu Ihnen, Mario Malvolto", wiederholte sie, und ihre Stimme zitterte leicht.
„Contessina, Sie sind ein Kind. Wenn Sie mich liebten, warum haben Sie nicht einen Ihrer Freunde beauftragt, mich Ihnen vorzustellen? Ich hätte mich Ihnen zu Füßen gelegt."
„Zu Hause wären wir nicht frei gewesen. Um uns lieben zu dürfen, hätten wir uns heiraten müssen."
„Ah!"
Er empfand eine böse Genugtuung.
„Die Contessina Cantoggi würde mich nicht zum Mann wollen!"
Und sie, ohne zu verstehen:
„Sie würden sich mir versprochen haben, Mario, ohne zu wissen, wer ich bin. Sie würden versichert haben, mich zu lieben, und hätten vielleicht geheuchelt. Wenn ich das merkte, wäre alles aus. Ich will, daß wir uns lieben, ohne daß jemand darum weiß. Sie können sich nicht ausmalen: ich werde von der schönen Cantoggi geliebt, und ganz Florenz weiß es. Hören Sie? Das können Sie nicht."
paar Geliebten ihr Versprechen gehalten, und in dem Gedächtnis einiger Alten den Rest eines berauschenden Duftes hinterlassen haben. Was waren sie selbst? Was erlebten sie? Er wußte es: Ihre Wirkung, das
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