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Kuenstlernovellenovellen

Kuenstlernovellenovellen

Titel: Kuenstlernovellenovellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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ist teuer; aber man glaubt nicht, wie hoch Frauen sich selbst bewerten; was sie alles entgegennehmen, ohne sich zu wundern. Das ist bekannt; nur daß man Augenblicke hat, wo man es neu entdeckt. Ach was. Eine Menge seelischer Nahrung ziehe ich dennoch aus der Geschichte. Ich hatte es vielleicht nötig, einmal wieder etwas Starkes zu erleben; man hat sonst nur noch Kunst, die sich selbst befruchtet. Was mir das Mädel genützt hat, werde ich später erfahren. Später...'
    Er warf das Manuskript in die Schieblade, vergaß zum erstenmal den Schlüssel abzuziehen, betrat die Terrasse, atmete tief. Er verlangte schon wieder nach ihr. Tags darauf kam statt ihrer ein Brief. Sre sei beim Umzug, und auch ihr Bruder gebe ihr viel zu tun, bevor er abreise. Drei Tage noch!
    Mario Malvolto saß die drei Tage unbeschäftigt, immer zum Aufspringen bereit, in seinem Zimmer. Vielleicht wollte sie ihn überraschen? Jeden Augenblick konnten hinten im Garten die Zweige krachen, die sie zurückbiegen mußte, wenn sie durch das heimliche Pförtchen schlüpfte. Aber sie kam erst zur bestimmten Stunde, und sie lachte schlau. „Wie das Warten dich erregt haben muß!... Und mich!" sagte sie ehrlich und fiel ihm zitternd um den Hals.
    In der Zwischenzeit hatte sie einen Einfall gehabt. „Sag einmal, arbeitest du eigentlich?" Er wich aus.
    „Nein, das möcht' ich wissen. Wenn ich kam, hast du immer bloß gewartet. Oft warst du über Land gelaufen. Du siehst vorzüglich aus, besser als anfangs. Aber ich habe dich noch niemals am Schreibtisch gesehen. Du meinst doch nicht, ich will dich davon abhalten?" Er begriff. Sie wollte ihn ganz: auch am Schreibtisch. ,Sie fürchtet, ich verstecke mich vor ihr, wenn ich dichte; ich enthalte ein zweites Leben in mir. Wenn sie wüßte, wie sehr sie irrt!'
    Sie hatte den Schlüssel in der Schieblade bemerkt, sie stürzte sich darauf, riß das Manuskript heraus. „Da haben wir dich! Also das zeigst du mir gar nicht. So etwas Schönes!"
    Es war das erstemal, daß er sie einen Gegenstand mit Achtung berühren sah. Sie legte die Blätter wohlgeordnet auf den Tisch . „Da setze dich hin!"
    „Ich soll schreiben? Gemma, was denkst du, ich hab mich drei lange Tage nach dir gesehnt!"

    „Ich mag dich nicht - wenn du nicht schreibst." Er gehorchte. Er blätterte unklaren Kopfes in dem Fertigen, besann sich mühsam auf den nächsten Satz, den er schon gewußt hatte. Er schrieb ihn hin, dann war's aus.
    Wie er aufsah, stand Gemma da, nackt und die Arme halb erhoben.
    „Nun schreibe", sagte sie leise und als ob sie drohte. Er saß aufrecht und blaß und biß sich die Lippen. Sie tänzelte; er fühlte sie wie eine große, sehr weiße Blüte, bewegt von heißem Luftzug, um sich herschwanken. „Ich will, daß du von mir Genie bekommst", flüsterte sie.
    Sie streifte ihn. Er hatte auf einmal alles Blut im Kopf. Ahnungen unerhörter Schöpfungen schössen in ihm auf, ein wahrer Urwald des Geistes, glühend von Kelchen, strotzend von Saft, heulend von Untieren, und undurchdringlich. Er sah sich hilflos, er bändigte kein Gefühl, schnitt kein Bild heraus, entdeckte kein Wort. ,Das alles wird später kommen. Später..
    Er erblickte sie von vorn, auf der Schwelle der besonnten Terrasse. Sie hatte rosige Umrisse, und ihre Formen verschleierte eine durchgoldete Dämmerung. Sie war eine kostbare Muschel; ihr Haar, das sich auflöste, schlug um sie her wie Algen.
    Sie war eine zierliche Nymphe, die, kaum erkennbar, so rasch ging es, nur wie ein Lichtstreif vorbeihuschte, einen Augenblick scheu und wild über seine Schulter lugte, und von der gleich darauf nichts übrig war als dieser leise Duft, wie der Rest eines Fabeltraums. „Wenn du nicht schreibst-", sagte sie schließlich.
    Er warf Hais über Kopf hin, was ihm einfiel. Sie kam neugierig herbei, setzte sich auf die Armlehne seines Sessels und schaute zu. Er sah die Muskeln ihrer feinen Beine spielen und schrieb immer weiter. Was kam darauf an! ihn schüttelte eine halsbrecherische Genugtuung. Er fühlte sich über ailes hinaus, was ihm einst hoch gedeucht hatte. Die Kunst? Die steile Einsamkeit der Kunst? Sie, zu deren Ernährung man das Leben aussog und arm machte, um derentwillen man den Menschen abdankte und Komödiant ward? Ah, jetzt spielte er Komödie. Aber seine Arbeit, die Arbeit am Schreibtisch, die Kunst selbst war Komödie geworden, und er spielte sie der Liebe vor!
    Da umarmte Gemma seinen Kopf und bog ihn zurück, ganz so, als holte sie ein Kind heim, das

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