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Kuenstlernovellenovellen

Kuenstlernovellenovellen

Titel: Kuenstlernovellenovellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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sie aus Haut: Haut von einem Gesicht!"
    Nach einer Weile, noch erschauernd, fragte sie: „Was soll das heißen?"
    „Ich hab'esimmerfür eineErklärung derKunst gehalten", erwiderte er. „Diese abgezogene Haut, die mit der Form des verlorenen Körpers prahlt und auf unmögliche Weise sich färbt vom Lauf des Blutes, das längst gestockt hat -mir war es die Kunst. Ich griff hinter dieser Haut, die wie das Leben die Nüstern bläht und mit den Lidern klappt, nach dem Körper, nach dem Leben selbst. Es war nicht da - für mich nicht... Aber jetzt halt' ich es!" Und er zog sie zu sich zurück. Gemma trat noch einmal vor das Bild.
    „Sie ist wirklich scheußlich! Aber ich will sie haben. Ich will eine Maske daraus machen lassen und dich damit erschrecken. Du sollst sie mir abzeichnen. Gleich! Komm, hol dir Papier!"
    Sie liefen beide in das Arbeitszimmer, stöberten umher in den Schiebladen und stießen schließlich auf das Manuskript.
    „Es scheint, es ist nichts anderes da", meinte Gemma zögernd.
    Er drückte ihr ein Blatt vor das Gesicht, so fest, daß ihre Nase durchbrach. „Was tust du?"
    „Du weißt nicht, was das ist? Das ist die Haut - die Haut, unter der scheinbar das Blut kreist. Da hast du deine Maske!"
    Sie hielt das zerfetzte Papier in der Hand. Er entzündete ein wächsernes Zündstäbchen und ließ die Flamme die geschriebenen Zeilen hinanklettern. Als sie Gemmas Fingern nahe kam, nahm er ihr das Blatt weg und trug es zum Kamin.
    Er kam zurück und holte noch einen Bogen. Sie war blaß geworden. Sie ahnte, ohne ihn zu begreifen, ihren letzten, alles niedermachenden Sieg.
    „Was tust du?" fragte sie nochmals. „Du willst doch nicht dein Werk verbrennen, dein kostbares Werk? Du sollst daran weiterschreiben - später." „Später? Wann?" Sie wußte es nicht.
    „Ich will dir sagen, Gemma, für uns gibt es kein Später. Wir lieben uns, und dann kommt der Tod." Sie erzitterte. Sie warf ihm die Arme um den Hals. Das Gesicht auf ihrem sprach er:
    „Ich erträume ja nichts mehr. Die Träume dort auf dem Bilde sind alle in die langen nächtlichen Säulengänge verschwunden, die sie früher ausspien. Statt aller Träume hab' ich dich. Du bist ihrer aller Verwirklichung, der Preis aller meiner Sehnsucht. Du hast mich in dein Leben hinübergerissen -"
    „Ja!"
    Sie küßte ihn und verstand nicht, was er noch dachte: ,- wie in eine mit Dornenhecken umstellte, üppigere und jähere Welt, wo Gewalt geübt wird und trunkene Hingabe; wo namenlose Untergänge ausgekostet werden und unfaßbare Herrlichkeiten; wo man ganz lebt und auf einmal stirbt.'
    „Auf einmal stirbt", wiederholte sie, mit erweitertem Blick. Sie hatte nichts gehört als diese Worte, die von seinen Lippen kamen, als die ihrigen sie losließen. „Ja, so kommt es, ich fühle es", sagte sie. Langsam nahm sie ein Blatt des begonnenen Werkes, ließ es aufflammen und legte es auf die Feuerstätte. Sie brachte noch eins herbei und noch eins; das Feuer stieg, sein Widerschein sprenkelte ihr weißes Fleisch und rann in den engen Falten ihres Hemdes. Sie trug, indes ihre kleinen Hände den Scheiterhaufen ordneten, aus Gedanken, Einsicht und Willen, schmerzlichem Ringen nach Größe - sie trug ein zweideutiges Lächeln, süß und grausam.
    Mario Malvolto stand neben ihr, die Arme verschränkt. Er sagte sich, voll selbstmörderischen Frohlockens: „Ich glaube."

Die Tat

    Er saß in der Dämmerung und erwartete sie. Sie war auf ein Stündchen nach Haus, um mit ihrer Gesellschafterin zu sprechen, die sie in Toilettefragen zur Stadt geschickt hatte. Der Sommer war zu Ende, ein kühler Hauch kam aus dem Garten, die tote Zypresse ragte ohne ihre Schleier von Glyzinen, entblößt und drohend. Malvolto legte sich vornüber, das Gesicht in die Hände, und dachte an Gemma, unbegreiflich beklommen. Plötzlich wußte er, sie sei da. Kein welkes Blatt hatte geraschelt. Sie stand, dunkel und scharf, in dem bleichen Rahmen der geöffneten Terrassentür. Sie kam langsam herbei - er tat einen Atemzug bei jedem ihrer Schritte - und stellte sich zwischen seine Knie, mit herabhängenden Armen, ohne ihn zu berühren. Er sah ihr Gesicht über seinem planen, verhalten schimmernd unter dem Schleier des Abends, eines Abends, der ihn beunruhigte, als sollte er sich nie mehr lichten. Und die beiden Augen über ihm, groß und schwarz, erblindend in Nacht, heiß von verdeckter Glut - er hielt sie für zwei Krater, ihm weit geöffnet. Sie kamen ihm langsam näher, ganz nahe, es ward

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