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Kuenstlernovellenovellen

Kuenstlernovellenovellen

Titel: Kuenstlernovellenovellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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sich lange genug umhergetrieben hatte. Das alles war nur der Kampf zwischen der Frau und dem Buch gewesen. ,Wie liebe ich sie, weil sie gesiegt hat!'
    Sie senkte sich langsam über ihn, zu genußsüchtigen, runden und tiefroten Küssen, die dufteten nach Iris, ihrem heimatlichen Wohlgeruch. Mit geschlossenen Augen meinte er, die großen, blauen Lilien schlügen für immer über ihm zusammen.
    Sie mußte nach Hause. Einen Augenblick später erschrak er. ,lch sehe sie in diesem Augenblick so deutlich, als wäre sie gar nicht hinausgegangen. Mein Gehirn und all mein Blut ist voll von ihrem Körper, von ihren biüten-farbenen Armen um meinen Hals, von ihren langen, zart gewölbten Schenkeln, von ihren getanzten Liebkosungen. Ihre Gebärden - ich bin ganz beladen damit! Ich, mein Haus, mein Garten, dieser Hügel: überall hat sie, mag sie auch fern sein, ihre Gebärden hinterlassen, die wie abgerissene Blütenzweige sind, die ich sehe, greife und deren Duft ich einatme! Ich erdichte nichts mehr, ich habe nur noch lebendige Vorstellungen einer schönen Körperlichkeit.'
    Als sie wiederkehrte, am Abend, führte er sie an die Schattenseite des Hauses, in die lange Loggia, auf deren Mauern Orpheus, jung und mager, zwischen steilen, kaum knospenden Bäumen schritt und über einem heftig blauen Meer Galathea helle Glieder wiegte. Sanft schob das Olivenfeld seine blassen Laubwolken bis unter die Bogen der Halle.
    „Es könnte sein, daß uns Pan zusieht, draußen vom Acker her. Sonst niemand."
    „Wir wollen es hoffen", sagte sie leichthin und lächelnd. „Der Bauer arbeitet erst in der Nachtkühle, und sein Feld ist abgeschlossen. In unserem Garten ist kein Fleck, den man von irgendeinem Nachbarhaus sehen könnte. Was mich beunruhigt, sind deine Leute. Wie erklärst du deine lange Abwesenheit?"
    „Ich? Gar nicht. Das ist Sache meiner Gesellschafterin. Soll sie doch einen Ort finden, wo ich sein könnte." Und die Leidenschaft dieser Frau, die von keiner Rücksicht wußte und Listen verschmähte, schlug ihm ins Gesicht wie ein Südsturm. Ihm stockte der Atem. Wie sie in der Frühe erwachten, kam gerade die Sonne herauf. Ihre ersten, feinen Strahlen stachen durch das offene Fenster und zerbrachen zwischen den hohen, blaugrünen Vorhängen zu Goldstaub. Gemma hielt ihre flache Hand hin, um ihn aufzufangen. Sie raffte sich aus den Decken, stieg, und das leichte Gewebe des Hemdes schaukelte um ihre raschen Glieder, auf die Fußwand des Bettes und stand von blaugrünem Licht ganz umwogt. Es war das Licht am Grunde sagenhafter Meere. Das Gemach war blaugrün an Wänden, Estrich und Möbeln, und auf Bett, Truhe, Schrank und Spiegel in der schlichten Renaissance von Siena, dazwischen der weite Raum halb öde lag, flimmerten unsicher und rätselhaft die vergoldeten Schnitzereien. Nur in der Ecke beim Fenster, auf dem einzigen Bild kreiste rote Sonne.
    „Was ist das?"
    Und Gemma hob die Arme in die lichtdurchsickerte Dämmerung, wie ein Meergeschöpf, das aus der Tiefe nach einem Wunder über den Wassern fragt. „Das hab' ich noch nie bemerkt."
    „Weil du noch nie bis Sonnenaufgang bei mir warst. Das Bild erscheint einem nur in dieser Morgenstunde." „Ich sehe einen halbrunden Säulengang, und aus seinen zwei Toren speit er Genien mit gespenstigen Flügeln und mit Schlangenschwänzen, kleine Drachen, Ungetüme, die ihre Bäuche aufblähen, und Frauen, große Frauen, die Haare voll reifer, dunkler Früchte, oder die Locken zu Zangen gebogen - Frauen mit langen, schmalen Brüsten wie Tiereuter. Sie tänzeln seltsam, winden Spiele aus Fleisch, nein, aus beglänzten Blüten, in den Farbenwolken ihrer Gewänder, drehen Scheiben aus grüner Luft, und eine Eule glotzt hinein ... Ich möchte so träumen", sagte Gemma. „Und dort, in der Tiefe des Säulenkreises steht ein Lager, da träumt einer!" „Das bin ich, Gemma. Weil ich der einzige bin, der die Köstlichkeiten des Bildes gefühlt hat. Das Original hängt ungekannt irgendwo. Ich bin eitel auf die Bilder, die niemand empfindet; die gehören mir ganz!... In wie vielen Morgenstunden", sagte Malvolto, im Bette aufgestützt, vor sich hin, „in wie vielen, ehemals, habe ich alle meine Träume erscheinen lassen, und alle fand ich in diesem Bilde angekündigt - und gerichtet." Gemma stieß einen Schrei aus. Sie flüchtete in die Arme ihres Geliebten.
    „Scheußlich - nein, das ist scheußlich! Eine Maske - eine Maske mit einer großen Nase, und rot, und ganz als ob sie lebte; und dabei ist

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