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Kuenstlernovellenovellen

Kuenstlernovellenovellen

Titel: Kuenstlernovellenovellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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ein einziger daraus, über dessen Rand er sich beugte, schwindelnd und verlockt zu tiefen Lüsten. Da berührte Gemmas Wange die seine, und Gemma flüsterte: „Lieber, wir müssen sterben."
    Er drückte als Antwort nur ein wenig fester seine Wange an ihre. Sie hatte ihm nichts Neues gesagt. Er hatte ihre Worte kommen fühlen, den ganzen Weg von ihrem Hause zu seinem. Nein, noch viel weiter kamen sie her: aus jener ersten Nacht, da sie sich ihm gegeben hatte! Sie hatten beide von jeher gewußt, daß nach ihren Umarmungen nichts mehr übrig sein werde als Sterben. In ihrer Liebe war der Tod von Anfang an mit eingeschlossen. Sie hatten gesagt ,Für immer'; und die längste Zeit des Immer, wußten sie, war Tod.
    Sie hatte ihn um die Schulter gefaßt und er sie. Sie fühlten einen krankhaften Zauber sie einwiegen, sie ertränken und auflösen. Rings um sie her lösten die Formen und die Farben sich auf, die ein Tag den Dingen geliehen hatte.
    Malvolto arbeitete sich mit Anstrengung empor, an die Oberfläche eines schwarzen Wassers. Er fragte: „Aber weshalb? Was ist geschehen?" Gemma lächelte; sie trat von ihm weg und sagte leichthin:
    „Mein Gott, man hat uns fotografiert." „Uns -"
    „Ja. Unser Bild geht in der Stadt von Hand zu Hand. Es soll sehr gut gelungen sein. Ich stehe auf der Terrasse, und du liegst vor mir." „Du bist - nackt?"
    „Und du, Armer, hast auch nicht viel an." „Unerhört! Das ist unerhört. Da ich mich doch vergewissert habe, daß von keinem Punkt der ganzen Umgebung meine Terrasse zu entdecken ist! Es muß vom Garten aus geschehen sein. Das kann nur Niccolo, mein Diener, gewesen sein - oder es war deine Gesellschafterin. Ich will -"
    Und er wollte zur Tür. Gemma faßte seinen Arm. „Sage, geht das uns noch etwas an, wer es getan hat? Ein namenloser Vorübergehender. Wir wollen unsere Augenblicke sparen und uns noch lieben." Er kam zurück, auf einmal beruhigt. „Du hast recht. Wie hast du's erfahren?" „Meine Gesellschafterin hat das Bild gesehen, bei zwei Damen und auch in einem Laden, wo man sie nicht kannte. Man verkauft es unter der Hand, es soll großen Absatz finden. Du begreifst, ich, die Cantoggi, und du, Mario Malvolto ..."

    Er hatte eine Regung von Eitelkeit. Gleich darauf, wütend vor Scham darüber und auf sie losstürzend, ihr zu Füßen:

    „Und du, Gemma - all deine keuschen Schätze, die nur für mich, für mich geglänzt haben, nun zeigt man sie in den Salons, in den Klubs, hinter den Kulissen umher! Ja, wir müssen sterben, denn wie sollten wir das ertragen!" „Das ertrüge ich schon", sagte sie, immer lächelnd. „Ich habe deinen Ruf getötet! Man beglückwünscht mich jetzt in der Stadt, alle beneiden mich. Das ist zu viel Schmutz."
    Er schlug sich die Stirn mit Fäusten. „Wir müssen sterben!"
    „Nicht deshalb", sagte sie sanft. „Das alles ist mir gleich. Aber weil man uns trennen würde." „Man würde uns -" Er stand auf.
    „Weiß dein Bruder es? Ist er zurück?"
    „Er kommt erst nächste Woche. Aber er kann es täglich erfahren."
    „Man wird es ihm nicht sagen!"
    „Wenn er ein Gatte wäre", sagte Gemma, und ihr Lächeln war kaum zu erkennen. Malvolto senkte die Stirn.
    „Allerdings. Einem Bruder wird man es sagen." Plötzlich fuhr er in die Höhe. „Dann schlagen wir uns eben!" Gemma schüttelte nur den Kopf. Er rief:
    „Du meinst, er würde mich töten? O bitte. Vor vier Monaten vielleicht. Jetzt bin ich sehr stark mit dem Säbel."
    Sie erwiderte:
    „Tötest du ihn, sind andere Verwandte da, und sie werden uns trennen. Ich bin erst siebzehn." Und da er schwieg, setzte sie in einfachem Ton hinzu: „Siehst du, dann müßten wir dennoch sterben. Warum wolltest du vorher meinen armen Bruder töten? Sterben wir lieber gleich jetzt."
    Malvolto sah hastig umher: nein, es blieb nichts anderes mehr zu tun. Gemma, dieser schmale, verschwimmende Umriß dort vor ihm, mit dem Gesicht, das schimmernd in der Nacht ruhte, mit den Augen, die noch tiefer waren als sie - Gemma war nun zu einer kindlichen Judith geworden, und um einen ihrer blütenhaften Finger schlang sie eine Locke, daran hing ein Kopf: sein Kopf. Aber sie starb mit ihm! Er verleumdete sie - die starke Märtyrerin, die so schlicht und klar auf den Tod zuschritt, indes er, um dessentwillen sie hinging, noch nach Ausflüchten suchte. Er zog sie an seine Brust. „Gemma, du einzige Liebende! Deine Kraft und Ruhe richten mich. Ich bin es, der dich tötet! Hassest du mich denn nicht?"
    „Dich

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