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Kuenstlernovellenovellen

Kuenstlernovellenovellen

Titel: Kuenstlernovellenovellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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hassen?" rief sie, zum erstenmal mit Erregung. „Mir scheint ja, jetzt lieb' ich dich erst! Als ich vorhin in die Tür trat, und du saßest in der Dämmerung: ich stellte mich zwischen deine Knie, wir sahen uns an - ja, wir sahen uns an. Hattest du mich schon einmal so angesehen? Ich dich niemals. Ich hätte nicht geglaubt, ich könnte noch glücklicher werden, als ich war. Jetzt ist etwas da, das noch glücklicher macht .. Wir wollen genießen", flüsterte sie, die Lider geschlossen. Er riß sie vom Boden, mit solcher Wildheit wie in ihrer ersten Nacht. Ja, sie war die große Sinnliche: durch ihre ganze üppige und jähe Welt jagte sie ihn, bis ins letzte Dickicht, wo die tiefsten Lüste gefeiert wurden, die in Blut ertranken! Rasend unter der Peitsche des Todes, trug er sie in das Schlafzimmer.
    Als sie zurückkehrten, war der Mond aufgegangen. Sie hielten einander umfaßt, sie lehnten die Schläfen aneinander und gingen müde. Wie sie den grellen Lichtstreifen betraten, der von der Terrasse her breit durch das Zimmer strich, schraken sie auf, als seien sie kalt übergössen, und trennten sich. Gemma ging zur Tür, stützte den Arm an den Pfosten und legte die Stirn dagegen. Sie hörte Mario rastlos über den Teppich wandern. Er sah sich um. Wie dieser Raum sich verändert hatte! Er gehörte schon nicht mehr ihrer Liebe; er sollte sie beide sterben sehen, dieser selbe Raum! Die breite Ottomane bot sich nicht mehr ihren Umarmungen dar; sie glich einem Operationstisch! Gemma wandte sich unversehens um und sagte kurz: „So tue es."
    Er blieb stehen, mit unüberlegter Erbitterung: „Ich soll - dich soll ich -?" „Ja, soll denn ich es tun?"
    Sie sahen einander gerade in die Augen und sahen es darin aufflammen von Feindseligkeit. In der nächsten Sekunde liefen sie aufeinander zu, sanken sich an die Brust. Einer fühlte des andern Tränen auf der Wange. „Wir, die wir nur noch ein Leben haben!"
    „Und müssen einander töten!"
    „Unglücklich wie wir ist niemand!"
    Sie blieben lange regungslos. Da schluchzte Gemma auf.
    „Ich soll dich nie mehr haben - nie mehr." „Ich soll niemals mehr deine Hüften küssen", sagte Mario, „und ihre kleinen Gruben mit den Lippen messen, Nie mehr das Gesicht in dein Haar wühlen, nie mehr deine Knie -"
    Er hielt, an sie geklammert, eine schmerzliche Andacht. Er füllte ihre zarte, rote Ohrmuschel noch einmal mit der Last seiner geflüsterten Begierden, klagte sie, Glied für Glied, an, weil sie ihn verriet, weil sie ihm keine Freuden mehr spenden würde.
    Sie machte sich schließlich los, ging mit ihrem gleitenden Schritt zur Ottomane, stützte sich darauf und lächelte ihm zu:
    „Ich bin bereit."
    Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn, dann trat er rasch an seinen Schreibtisch. Sie sah weg, sie hörte etwas Metallenes klappern. Er kam auf sie zu, eine Hand im Rücken.
    „Dein Mörder kommt", stammelte er. „Er beschleicht dich."
    Er brach vor ihr zusammen, die Stirn auf ihren Knien. „Ich kann doch nicht! Du bist stärker, Gemma -" Er reichte ihr die Waffe.
    „Du liebst mich nicht, wie ich dich liebe - bis zum Zittern der Hand."
    „Ich liebe dich so", sagte sie und hüllte seinen Kopf noch einmal in ihre Arme - „daß es kein Glück mehr für mich gibt, als durch dich zu sterben! Bedenke doch, der Tod erst gibt dich mir ganz. Er macht uns unzertrennlich. Du, küsse mich, während du zustößt." Aber er riß sich los.
    „Du sollst leben!" rief er. „Was geht mein Schicksal dich an! Ich, ich bin's zufrieden, und ich danke dir!"
    Sie fiel ihm in den Arm, sie war leichenblaß.
    „Was hast du tun wollen? Du hast mich allein lassen wollen? Das könntest du?"
    Und sie schluchzte bitterlich.
    „Deine Weste ist aufgeschnitten, das Hemd auch. Hilf, Himmel, du blutest!"
    „Ein Hautriß", murmelte er. „Es wird anders kommen."
    „Sei lieb", flüsterte sie, und sie zog ihn zu sich auf das Ruhebett, als verlangte sie eine Umarmung. „Alles Gute hab ich immer nur von dir gehabt, jede schöne Sonne. Weißt du nicht, wovon ich in San Gimi-gnano geträumt habe, als Kind, auf meinen Efeumauern? Von dir, Lieber."
    Den Kopf träumerisch im Nacken, mit einem unsicheren Lächeln der Wollust, führte sie den Dolch, dem zaudernd seine Hand folgte, zu sich hin, ihrem Leibe zu, in den er eindringen sollte; und ihre heldenhafteste Gebärde war von der begehrlichen Anmut ihrer unkeuschesten. Da stieß er, die Lider eingedrückt, drauflos -gepackt von Entsetzen, ohne daß er es gewollt,

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