Kuenstlernovellenovellen
ob ich ihm gefiele. Wir wollen ausgehen, Töchterchen; ich möchte seidene Strümpfe kaufen." Da die Tochter ihr den Rücken gewandt hatte: „Willst du nicht,Meine süße Liebe' üben, für dein Konzert? Niemand versteht es zu singen wie du." „Gut! Gut!" rief sie dazwischen; und nach der letzten Note:
„Wir mögen böse sein, darben und uns quälen, so haben wir doch die Kunst. Ich habe dafür gesorgt, daß du sie erwarbest, und ich tat wohl daran. Du wirst die letzte sein, die von der Kunst des Belkanto weiß. Wir dienten um sie acht Jahre lang. Die Heutigen lernen zwei - und nach anderen zwei sind sie kaputt. Du wirst, wie ich, noch mit siebzig singen... Gut, gut!" rief sie wieder, mit falscher Stimme. Denn sie meinte die Tochter dabei zu überraschen, daß ihr die Töne in den Hals rutschten. Die Branziila dachte:
,Sie ist nicht mehr wie früher. Auch mit ihr geht's also zu Ende. Ich aber habe noch meine Stimme, ich allein.'
„... Nimm mich mit! Auch ich will ausgehn."
Aber die Tochter stürzte wieder herein: bleich, nach vorn geworfen, mit schlotternden Fäusten. Sie erzwang sich Atem.
„Er hängt dort. Papa hängt dort. Er hat sich erhängt."
Sie schlich über die Schwelle und nebenan die Wand entlang. Die Branzilla schloß die Tür. Sie begann im Zickzack umherzuhasten: aufgescheucht, in die Enge getrieben, mit Blicken wie nach Verfolgern ... Plötzlich hielt sie an, hob die Schultern und zog sie, ausatmend, heftig herunter. Sie horchte; dann holte sie einen metallenen Kasten heraus und setzte sich davor... Die Tochter fuhr ins Zimmer.
„Ich habe ihn abgeschnitten; er ist tot. Du hast ihn getötet! Ach, wäre das deine letzte Tat. Ich werde nicht zufrieden sein, bevor ich dich im Irrenhaus weiß. Zu allem Segen, den deine große Kunst uns allen gebracht hat, möchte sie dich nun noch ins Irrenhaus führen!" Die Branzilla zählte das Geld in dem Kasten. „Ich habe nicht genug, ihn zu begraben. Warum hat er sich erhängt? Es war ihm nur ein neues Mittel, mir zur Last zu fallen."
„Hexe! Mörderin! Ich werde dich in eine Anstalt sperren!"
„Nächsten Monat singe ich im Palazzo Doria. Ich werde in keine Anstalt gehen. Ich werde nicht durch Aufregung meiner Stimme schaden. Nächsten Monat singe ich im Palazzo Doria."
SZENE
Sobald Lea von der Verlobung ihres Geliebten erfuhr, eilte sie zu ihm. Viktor war nicht zu Hause, sie ging in seinem Zimmer auf und ab. Es ward Abend. ,!ch habe zu spielen - Premiere, und ich bin nicht entschuldigt', dachte sie, und dann gleich wieder an seinen Verrat, „ich verliere ihn und ich liebe ihn!" Ihr Herz setzte aus, sie sah sich im Spiegel todbleich. Dann maß sie, durchdringend und trostlos, die ganze Gestalt. ,Elegant und schön, eine Schauspielerin, die in Mode ist, so würden die Leute sagen, wenn ich jetzt stürbe. Hat einem Mann alles zu bieten, Liebe, Glanz, befriedigte Eitelkeit, und wird verlassen und nimmt sich das Leben.' Sie suchte hastig in der Handtasche, ließ es, irrte weiter durch das Zimmer. Plötzlich fühlte sie ihn hinter sich. „Ich habe dich erschreckt", sagte Viktor. Sie fühlte Angst vordem Kommenden, sagte aber zornig: „Ich nehme an, daß alles Geschwätz ist."
Er zuckte die Achseln. „Das nimmst du nicht an. Du wußtest von der Sache. Ich hatte sie dir angedeutet." „Ich glaubte dir nicht!"
„Schließlich konnte ich nicht bei dir um meine Braut anhalten."
In ganz verändertem Ton: „Was habe ich dir getan?" Und sie sank hin. Er trat an ihren Sessel, streichelte ihr das helle Haar, seine Hand war verführerisch wie je.
„ich iiebe nur dich, Lea. Darum fehlte mir der Mut, offen mit dir zu sprechen. Ich habe den peinlichen Schritt tun müssen, weil ich abhängig und ehrgeizig bin. Nur darum. Ich wollte, ich könnte noch zurück." Sie sahen einander im Spiegel. Er sah ihr Gesicht aufleuchten. „Komm zurück!" sagte sie mit ihrer schönsten Stimme, hingelehnt, damit er sie küsse. Er küßte sie und sagte: „Wir haben uns schon mehrmals getrennt und wiedergenommen. Jetzt ist eine Heirat notwendig. Sie bedeutet nichts, wir bleiben die Alfen." Da riß sie sich los und sprang auf.
Sie starrte ihm wie blind ins Gesicht. „Was wolltest du? Heiraten und mich behalten?" Er sah Unheil kommen, er streckte die Hand aus, aber sie floh bis in den Winkel; schon hatte sie aus ihrer Handtasche einen Gegenstand gezogen und ihn an die Lippen gesetzt. Gerade fing Viktor noch ihre Hand auf. „Laß das!" sagte er rauh. „Es könnte dir
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