Kuenstlernovellenovellen
Vom Diwan geschnellt - und der große, bewegte Körper wollte mit vorangestreckten Armen über alles fortfliegen, die Zuversicht selbst. „Ihr glaubt doch nicht, es ginge ohne mich?" Es gellte, und der Vorhang fiel. Dies, das Jauchzen? Es hatte gegellt; lag die große Frau jetzt nicht, zusammengebrochen und alleingelassen, über dem verwüsteten Tisch, dort hinter dem Vorhang? Er ging wieder hinauf, sie und ihr Mitspieler verneigten sich.
Der ungetreue Liebhaber auf seinem Parkettplatz sprach zu ihr durch den Vorhang: „Nun, nun, mein Kind, wir sind älter geworden, das ist das Ganze. Als ich dich kennenlernte, hattest du den naiven Reiz der Anfängerschaft. Ach, unsere Jugend! Jetzt bist du reif, auch ichbin es, und man geht auseinander. Obwohl man sich erst jetzt recht verstünde und das Leben einander erleichtern könnte. In der Jugend erschwert man es sich. Es ist uns ergangen wie dir in dem Stück mit dem Herrn Nummer eins: geliebt, gequält, betrogen und von vorn. Jetzt aber uns verlassen? Nun, deine Schönheit, dein Talent die Höhe erreichen?"
Er seufzte, und in seine Gefühle vertieft, hatte er vergessen, daß er seine Geliebte beaufsichtigen mußte, damit sie nicht Selbstmord beging. Das Haus ward dunkel, da fiel ihm alles wieder ein. Furchtbare Panik durchjagte ihn. Kam sie lebend auf die Bühne? Oder lag sie schon da, wenn der Vorhang aufging? Fiel er gleich wieder, und jemand trat heraus, um dem Publikum von einer vorübergehenden Schwäche zu erzählen? Vorhang. Gottlob, sie lebte! Er zitterte noch immer. Sie spielte Glück. Selbst Viktor hatte sie nie so glücklich gesehen wie heute abend mit dem Liebhaber zwei. Er hatte das beste Leben, nur sie selbst war ihrer Sache nicht sicher. Auch dies konnte enden, so aufreibend schrecklich wie das vorige - wenn sie auch hier wieder liebte. Sie fürchtete zu lieben und dann verlassen zu werden. Sie eilte, daß sie ihm zuvorkomme; nur darum betrog sie ihn mit dem Liebhaber eins - und ließ sich erwischen. Die Szene. Zwei merkt erst jetzt, er liebe sie, und hat seinen Ausbruch. Eins hat ihm Genugtuung angeboten und ist gegangen. Sie selbst besteht darauf, sie liebe noch immer jenen, nie habe sie diesen geliebt; wird kalt und stumm. Dieser glaubt ihr nicht, zu gut weiß er das Gegenteil, weiß es durch sich selbst. Für ihn ward es Ernst, auch sie soll endlich gestehen.
So gesteht sie denn: nein, sie liebt keinen; auch den nicht, mit dem sie ihn zielbewußt betrogen hat. Auch der hat nur wissen sollen, daß sie nun kalt sei - nun kalt sei und bleibe! „Der eine kann mich zu haben glauben, der zweite, sogar ein dritter: Wer aber hat mich noch? Das war einmal!" Schaudert es ihn? Es ergreift ihn, er möchte verzeihen. „Damit du mich später um so sicherer davonjagst? Später, wenn ich wehrlos bin." Da er leugnet: „Doch. Der, den ich liebe, jagt mich davon!" Frech und schrankenlos agiert sie vor dem Menschen, hat die Selbstachtung abgetan, möchte nacktes Grauen sein, alles, damit es ihr erspart bleibe, noch einmal leiden zu müssen. Er will ihr nichts ersparen, sie entreißt sich ihm, flieht nach hinten und steht, wie gefangen, in einem Vorhang.
Dort nun zeigt sie, wie man leidet, was sie schon erlitten hat, was sie noch erleiden würde - zeigt, was je Leiden war. Ihre schlaffen Arme tasten aufwärts, um zu flehen, aber was hilft Flehen, sie sinken wieder. Das Gesicht sieht niemanden, einsam plant es, verzückt. Die ganze Frau aber, dieser kostbare Körper im reichen Kleid wird arm, wird offen jedem Blick, ja durchscheinend, ihr seht die Flamme. Ihr hört nicht, welche Sätze sie klagt, seht nur in ihr die Flamme zehren: zehren und sie durchleuchten. „Alle Wetter!" sagte der Ungetreue. „Mit ihr geht es vorwärts - und mit mir? Ich werde herunterkommen durch meine bürgerliche Heirat. Keine andere Frau als diese kann mir Glück bringen. Die Laufbahn! Um als Mensch zu versinken? Indes sie dort oben leuchtet. Indes sie mit anderen Männern ihre Seelenkräfte übt und davon leuchtet! Das darf nicht sein."
Die Schauspielerin inzwischen bereitete ihren Abgang vor. Der Mann war fertig, sie hatte ihn endlich niedergerungen. Er saß, war ganz krank vom ungewohnten Erleben und wünschte sie innerlich zu allen Teufeln. Sie aber hatte Hoheit bekommen; Abschied in Hoheit und müden Nachwehen ihrer großen Szene. Ein letzter Händedruck? Er schlug ihn aus, rückte verwundet die Schultern. Da hatte sie, über ihn fort, ein Nicken, eine Wendung: ,Dann nicht.' All ihr
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