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Kuenstlernovellenovellen

Kuenstlernovellenovellen

Titel: Kuenstlernovellenovellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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Ich weiß, wieviel ich wage und wie leicht mich dies in die Hölle führen kann. Ihr wäret nicht dabei, als ich kämpfte! Es ist furchtbar, daß diese Brut unsern Herrn überwältigen mußte. Aber ich habe - neigt Euer Ohr! - den Verdacht, daß Gott hiermit eine große Versuchung für mich plant... Hört, eine andere Versuchung, nicht weniger schrecklich, hat er soeben beendet. Ihr wißt, daß mein Mann, der Cavazzaro, die Stimme verloren hat. Endlich ist er bestraft dafür, daß er sich selbst und die Kunst verließ und unheilig lebte. Wildes Glück packte mich, als es offenbar ward. Aber ich bezwang es. Denn sorgsam mußte zuvor erprobt werden, ob Gott mir wirklich den Sieg bestimmte. Und ich schickte Ulisse nach Paris, daß sie ihm eine künstliche Stimme machten, wie sie's dort können. Nun ist er zurückgekehrt und krächzt. Gott hat's gewollt. Der, an den ich meine Kunst hätte abdanken wollen; der, den ich gern vergiftet hätte; der, den ich lieben mußte; nun liegt er darnieder. Ich aber singe wie mit zwanzig Jahren. Alle Versuchungen, zu denen er mir geschickt war, sind gebrochen; ich habe sie überstanden. Jetzt muß ich singen, vor wem immer, muß singen und triumphieren. Wozu hätte ich gelebt, wenn ich jetzt nicht sänge? Soll ich's bezahlen, wie Ihr sagt, Vater; gut denn, ich bezahle. Mit dem ewigen Feuer, sagt Ihr? Es sei, mit dem ewigen Feuer. Immerhin: ich flüsterte Euch von meinem Verdacht, daß auch dies nur eine große Versuchung sei, die allergefährlichste, und daß Gott wissen wolle, ob ich so heilig sei, daß ich auch noch der Hölle und all ihren Ängsten trotze, wenn es zu singen gilt. Wer weiß, vielleicht werde ich vor Gottes und unseres Herrn Papstes Feind singen und dafür maßlos erhöht werden... Ihr glaubt es nicht? Ich lästere, sagt Ihr? Ich sei verworfen? Ihr könnt mich nicht frei machen? So bitte ich Euch nur noch: betet für mich, denn ich werde singen. Ich werde vor dem Feinde Gottes, vor dem Schänder seiner Stadt singen und dabei wissen, daß ich auf meinen Tönen nicht mehr zum Himmel, sondern in die Hölle steige. Aber die Kunst, die Gott selbst ist, will es. Er will, daß ich die Verdammnis verdiene, und ich gehorche ihm. Ihr hört, wie mir die Zähne aufeinanderschlagen. Ich bin in kalter Hitze. Die Gedanken verwirren sich mir. Gelbe Flammen schießen vor mir auf. Die Hölle! Die Hölle! Rettet mich! Ihr rettet mich nicht? Dann muß ich in den Flammen stehn und singen!"

VII
    „Wer sagt, daß wir alt sind? Du, ja, du bist'sl Da keine Frau dich mehr gebrauchen kann und du zum Wein kein Geld mehr hast! Ich bin noch immer die Branzilla; und sing' ich nicht mehr alle Abende, so singe ich immer noch jeden Monat einmal oder doch einmal die Saison. Niemand geht es an, wie ich inzwischen lebe. Du brauchst es mir nicht zu sagen; oft verwirrt sich mein Kopf. Mag sein, daß ich die Menschen oft gequält habe: meine Tochter und auch dich; daß ich mich mit Wirtinnen herumzanke, nicht bezahlen mag, und daß es Städte gibt, in denen kein Haus mehr mich aufnimmt. Wo bleiben all diese Miseren, wenn ich singe, noch einmal singe. Ich habe vier Wochen lang im Dunkeln gelegen, habe gefastet, mich gereinigt und meine Kraft von Gott zurückerbeten. Nun aber trete ich hervor. Für eine Nacht, für drei Stunden: gleichviel, da stehe ich noch einmal im Glanz und höre das Volk zu meinen Füßen atmen. Ich singe; mein Herz hat wieder die Gewalt eines zwanzigjährigen Herzens; meine Glieder spannen sich; meine Lippen sind fest und jung. Fragt nicht, mit welchen Qualen ich meine Auferstehung bezahle. Klatscht! Schreit! Seht hier den Schatten größerer Zeiten durch eine eurer Nächte streichen! Ihr fühltet nie diese Leidenschaft. Keiner von euch erfuhr, wie das Leben heilig ist. Faßt, bevor euer Scheindasein schwindet, einmal doch Bewunderung für die, der von Gott die volle Wirklichkeit ward! Ja, eine Siebzigjährige, und noch immer die Branzilla!" „Ich muß wohl gehen? Meine blinden Augen sehen dich nicht; aber deine Stimme klang sehr erregt. Du wirst  nun für den Rest des Tages krank sein und nicht wollen, daß wir essen?... Du antwortest mir nicht. Ich gestehe dir, daß ich Hunger habe."
    „So geh und mäste dich!"
    „Ich habe kein Geld, um zu essen."
    „Ach, kein Geld. Und die zehn Soldi, die ich dir am Dienstag gab? Wir haben erst Freitag."
    „Ein wenig Tabak, einen kleinen Kuchen für die Kinder, die so gut zu mir sind und mich armen Blinden über die Straße führen."
    „Jaja,

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