Kuenstlernovellenovellen
Kassierer bekannt. Ein geängstigter Mensch, die weiblichen Angestellten verfolgten ihn um Alimente. Sowieso ging der Bestand seiner Kasse dunkle Wege. Der Direktor, nur mit Haustelefon erreichbar, beorderte unverweilt für seine Zwecke, was die Kunden brachten. Sie rissen sich freilich darum, Geld bringen zu dürfen. Noch dazu überschrieen sie sich am Telefon, der Direktor war taub.
Im Vorzimmer der Agentur stand eine kleine Plakatsäule, bedeckt mit den hohen Zahlen glänzender Geschäfte und den blühenden Gestalten tanzend abgebildeter Varietenummern: verschiedene, aber gleich begehrenswerte Seiten des Lebens, und beiden widmete sich die Agentur. Die Geldbringenden saßen und plauderten geduldig, bis sie drankamen. Hinter einer anderen Tür ballte sich gewöhnlich ein Haufe von solchen, die nicht brachten, sondern holten. Diese nahmen das Warten schwerer als jene. Zuletzt kam immer noch Geld. Berthold war's, der es brachte. Er erstieg die geheime Treppe zur Direktion, der Direktor selbst nahm das Geld, er ließ es durch die Wand elektrisch zur Kasse fahren. Er war ein außerordentlicher Mann, von einer Kraft betörender Persönlichkeit, die alles was geschah, begreiflich machte. Man traute seinem Stern; auch Berthold, der doch den neuesten Weg zum Erfolg mit ihm zusammen, ja fast aus eigener Eingebung beschritt. Berthold war vertraut und eingeweiht, war führend, hieß er auch nur Reklamechef. Um Zweifel hintanzuhalten, ließ er sich selten öffentlich blicken. Elias fand sich dennoch zuweilen an seinem Weg; er begrüßte ihn noch immer erschrocken wie den geheimen Polizeirat, lächelte aber schon wieder deutlicher sein angeborenes Lächeln. Die Katastrophe erfolgte auf die einfachste, vorhergesehenste Weise. Niemand, der sie je bezweifelt hätte, weder Elias noch der bedrängte Kassierer, noch die geldbringenden Kunden, noch selbst Miß Ellen, Varietestern und Freundin des Direktors - obwohl ihre Gagen im Geschäft arbeiteten. Die Kasse war schlechthin leer, und diesmal blieb sie es. Große Volksbewegung am Kassenschalter. Dazu schrie der Direktor am Haustelefon verzweifelt nach Berthold, der nicht kam. „Gebt mir Berthold! Ihr wollt mir Berthold nicht geben?" Krachen im Telefon, der geängstigte Kassierer fuhr zurück. Gleichzeitig brach die Schranke, die die Kasse schützte. Wildes Drängen, und in dem anschwellenden Lärm überwog der Ruf „Polizei!". Berthold, soeben eingetroffen, suchte alles auf die Untreue eines Angestellten zu beschränken; das Unternehmen selbst laufe nicht die entfernteste Gefahr. Als aber der Kassierer ihm zuflüsterte, im Telefon habe es gekracht, verstummte Berthold. Schon wälzte Volk sich zügellos ins Innere; es entdeckte die Geheimtreppe, schon stürmte es die verschlossene Tür der Direktion. Man quoll ein, trieb vor - aber das gesprengte Geheimnis sah wohl unerwartet aus. Wer es erblickt hatte, wich verstummend zurück mit den andern. Zuletzt konnte auch Berthold einen Blick hinter den Schreibtisch werfen. Der Körper des Direktors ward von einer Seitenlehne zurückgehalten. Die rechte Hand hing mit der Waffe herab, es war, als wollte sie den Revolver dezenterweise unter den Teppich schieben. Der vormals glühende, jetzt glasige Blick des Direktors blieb ein Stück über den Boden erhoben bis zur Höhe der Hände derer, die ihm nahten. Noch immer schien es sein erstes Augenmerk, was sie brächten.
„Jetzt kommt kein Geld mehr", raunte jemand hinter Berthold. Elias - er raunte: „Sie können nicht mehr damit in den Spielklub gehn - Herr Polizeirat. Wenn die Leute wüßten! Sie haben für den Direktor gespielt, das war das ganze Geheimnis."
Das angeborene Lächeln ward spitz und steif. Berthold, kalt überlaufen, verschwand vom Fleck weg.
III
In seinem möblierten Zimmer machte er kein Licht, blieb in der hintersten Ecke sitzen und fuhr auf, wenn der Wind ging ... Da klopfte es. Hatte es stark, zu stark geklopft? Er rückte vollends hinter den Schrank. Jetzt trat man auch schon ein, es ward hell. Von der Hausfrau geleitet, stand seine Schwester da. „Ach, nur du", sagte er erleichtert. „Du weißt wohl gar nicht? Es sind zwei Jahre." „Natürlich", sagte er. „Sie sind schnell vergangen. Willst du einen Augenblick Platz nehmen?" „Du bist eilig?"
„Ich kann noch Besuch kriegen. Geschäftlich, wie immer", sagte er überstürzt. „Immer Geschäfte. Du glaubst nicht, was ich in den zwei Jahren für Geschäfte gemacht habe! Gute. Sehr gute. Ohne daß darum die
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