Künstlerpech: Palzkis achter Fall
Evolutionstechnisch gesehen wäre das für die Menschheit ein großer Segen. Aber Sie wissen ja, wenn man mal Vorgesetzter ist, bleibt für das Privatleben nur sehr wenig Zeit.« Er machte eine kleine Pause. »Kann man die kleinen Dinger eigentlich irgendwo tageweise mieten?«
»Ich kann Ihnen gern mal für einen Tag den Paul vorbeibringen, Herr Diefenbach.« Ich versuchte, mein boshaftes Grinsen so weit wie möglich zu unterdrücken. Doch mein Vorgesetzter hatte sich bereits abgewandt.
»Um mir das zu sagen, habe ich hierher fahren müssen, Jutta?«
Meiner Kollegin war die Sache offensichtlich peinlich. »Das wusste ich doch auch nicht, Reiner. Ich war gerade fünf Minuten am Tatort, da kam KPD angefahren und verlangte sofort, dass ich dich anrufe. Die ganze Sache lief mehr als konfus.«
»Das ist normal, wenn unser Chef anwesend ist«, konterte ich. »Wenigstens scheint kein ernsthaftes Verbrechen vorzuliegen.«
»Woher willst du das wissen?«
Ich schaute Jutta fest in die Augen. »Siehst du irgendwo den Studenten Dietmar Becker? Solang der nicht auftaucht, ist nichts passiert.«
Seit Jahren wurden wir bei jeder größeren Ermittlungssache von diesem Archäologiestudenten gestört. Zu Beginn galt er selbst eine Zeit lang als Verdächtiger, bis wir herausbekamen, dass er nebenbei als Journalist für eine Tageszeitung schrieb, und es sein größter Traum war, einen dieser seltsamen Regionalkrimis zu schreiben, die in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden schossen und meist die Polizeiarbeit alles andere als realistisch beschrieben. Mehrere dieser Krimis hatte er bereits veröffentlicht. Was an und für sich nicht so schlimm gewesen wäre, wenn diese sogenannten Fälle nicht ausnahmslos tatsächliche Verbrechen beschreiben hätten, die in der Kurpfalz für mächtig viel Furore sorgten. Davon abgesehen beschrieb er den ermittelnden Hauptkommissar stets als verrückten Trottel, der ohne seine Kollegen und seinen Chef absolut hilflos war. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er mehr als eine Handvoll regelmäßiger Leser hatte. Zudem behauptete er in dreister Weise, dass ein Beamter der hiesigen Kriminalinspektion seine Ergüsse auch noch aus ›fachlicher Sicht‹ gegenlas.
Becker roch die Verbrechen geradezu, mehr als einmal recherchierte er längst bereits vor Ort, wenn wir Beamten von der Tat erfuhren. Inzwischen galt Becker bei uns als wichtiger Indikator für Kapitalverbrechen, und das geflügelte Wort ›kein Becker, keine Toten‹ hatte sich bei uns in der Dienststelle längst durchgesetzt und wird wohl bald Einzug in die internationale Literatur und kriminalistische Standardwerke finden.
»Was machen wir jetzt?«, fragte ich Jutta.
»Das, was KPD gesagt hat. Wir fahren ins Büro. Und du am besten vorher daheim vorbei.«
Ich blickte zu Lisa, die noch immer fröhlich vor sich hinbrabbelte. »Ne, lass mal, ich nehme sie mit, dann muss sich KPD mit seinen Erläuterungen kurz halten.«
»Das kannst du nicht machen, Reiner. Hast du Angst vor Stefanie?«
Als ich aufbrausend reagierte und sie dies als Zustimmung deutete, ergänzte sie: »Dann fahr ich bei Stefanie vorbei und hole Lisa was zum Anziehen.«
Ich bedankte mich, schließlich würde Jutta mit ihrer Tat vermutlich mein Leben retten. Gemeinsam gingen wir zu unseren Autos. Eine Verabschiedung von unserem allseits beliebten Vorgesetzten hielten wir für überflüssig.
Da ich wegen Juttas Umweg zu meiner Frau ein bisschen Zeit hatte und mein Magen knurrte, empfand ich es als gute Idee, einen kurzen Zwischenstopp einzuplanen.
Meine Tochter schien hochintelligent zu sein. Während ich die Cheeseburger verputzte, nutzte Lisa einen Moment meiner Unachtsamkeit und lutschte am Ketchup der Pommes. Kurz darauf fragte mich der Besitzer meines Schifferstadter Lieblingsimbisses Caravella, ob ich zusammen mit meiner Tochter Interesse an einem Werbevertrag hätte. Nur ein paar Fotos, und das Video, das er ins Internet setzen wollte, könnte er sofort drehen, wenn ich einverstanden wäre.
Szene 2 KPDs Auftrag
Überrascht stellte ich fest, dass samstags im Waldspitzweg einiges los war. Zum ersten Mal, seit ich in dieser Dienststelle arbeitete, schaute ich mir die vielen Zettel an, die am Schwarzen Brett hingen. Ohne vorher einen Umweg über mein Büro zu machen, ging ich schnurstracks zu Jutta. Deren Räumlichkeit hatte sich seit geraumer Zeit als idealer Treffpunkt für kleinere Teamsitzungen erwiesen. Sie waren bereits alle da: Jutta, mein
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