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Künstlerpech: Palzkis achter Fall

Künstlerpech: Palzkis achter Fall

Titel: Künstlerpech: Palzkis achter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Schneider
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Konzertsaal war er unbestuhlt. Die kleine Bühne war leer, nur ein paar Kabel lagen wie vergessen wirr auf dem Boden herum. Ich konnte keine Verstecke oder tödliche Fallen entdecken. Hirngespinste, redete ich mir ein und stellte mich mutig mitten in den Raum. Gleich würde Kreuzberger kommen und sich mit mir unterhalten. Nicht mehr und nicht weniger. Dummerweise glaubte ich inzwischen selbst nicht mehr so richtig daran. Wenigstens blieb im Moment noch die Hoffnung. Seltsame Fragen schossen mir durch den Kopf, sie könnten fast von Paul stammen: Was war eigentlich der Unterschied zwischen Glaube und Hoffnung? Ich wusste es nicht. Falls Becker darüber schreiben sollte, konnte er ja das Lektorat seines Verlags danach fragen.
    Ein Quietschen ließ mich zusammenzucken. Ich drehte mich zur Geräuschquelle um. Der Eingang zum Foyer stand offen. Vor einer Minute war er noch geschlossen. Es gab eine weitere Änderung: Im Türrahmen stand die rothaarige Unbekannte. Sie schien von meiner Anwesenheit ebenso überrascht wie ich von ihrer. Einen kurzen Moment stand sie mit steinerner Miene erstarrt da. Wo kam sie her? Warum hat sie bisher keiner entdeckt? Lag es daran, dass Pakos Auftritt erst in drei Stunden begann und das Gebäude zu dieser frühen Stunde ungesichert war?
    Vorsichtig ging ich auf die Frau zu. Ich musste mich mit ihr unterhalten. Frauen, die sprechen, töten nicht. Deswegen gab es so wenige weibliche Mörder.
    »Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«, begann ich möglichst harmlos. Bewegung kam in die Rothaarige. Sie drehte sich blitzschnell um ihre Achse und knallte die Tür zu. Beinahe hätte sich ihr rotes Kleid, das sie heute trug, im Türrahmen verfangen. Ich rannte ihr nach, riss die Tür auf und sprang hinaus. Um mir einen Überblick zu verschaffen, lief ich ein paar Meter ins Zentrum des Foyers. Von links hörte ich ihre klackernden Schritte. Ich konnte gerade noch erkennen, wie sie rechts neben dem Haupteingang des Konzertsaals in einer schmalen unscheinbaren Tür verschwand. Wo ging es dort hin? Der Vorsprung an der Wand zum Konzertsaal war so klein wie eine Abstellkammer. Die Frau war darin gefangen. In wenigen Sekunden hatte ich den kleinen Vorbau von allen Seiten betrachtet, ich lugte sogar kurz in den Saal hinein und schaute, ob es dort eventuell einen zweiten Ausgang gab. Doch vergeblich: Die kleine Tür war der einzige Zugang. Jetzt hatte ich sie. Gleich würde ich das Geheimnis der Dame lüften und Becker beweisen, dass sie kein red herring war. Ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen drückte ich den Türgriff. Nicht einmal abgeschlossen hatte sie. Woher sollte sie auch einen Schlüssel haben? Ich stieß die Tür auf und erkannte im gleichen Moment das Geheimnis dieses Kabuffs. Es war ein Treppenhaus. Keine große Treppe wie draußen im Foyer für Hunderte von Menschen, sondern eine kleine eiserne und sicherlich nicht für die Gäste des Pfalzbaus gedacht. Selbst für einen Fluchtweg war sie viel zu schmal. Welchen Sinn konnte die Treppe haben? Ich schaute nach unten und anschließend nach oben. In keiner Richtung konnte ich ein Ende ausmachen, da es viel zu dunkel war. Nur eine spärliche Notbeleuchtung tauchte das Treppenhaus in ein grünlich-mystisches Licht. Ich musste mich entscheiden: Hoch oder runter, das war hier die Frage. Nach kurzer Überlegung entschied ich mich trotz meines lädierten Knöchels für die Treppe nach oben. Dies war die richtige und zugleich die falsche Entscheidung, wie sich bald herausstellen sollte.
    Zweimal umrundete ich schnaufend das trostlos wirkende Treppenhaus, dann ging seitlich eine Tür ab. Eigentlich wollte ich sofort weiter nach oben, nur aus Gewohnheit drückte ich die Klinke. Die Tür sprang auf, und ich vernahm eine Unterhaltung.
    Zwei Männer starrten mich an. Der eine, er trug eine Brille mit einem auffällig pinkfarbenen Gestell, saß an einem Mischpult. Am Ende des lang gezogenen Raumes stand ein höchstens Zwanzigjähriger mit schulterlangen Haaren an einem Spot-Scheinwerfer. Ich bemerkte eine Glasfront, die eine der langen Seiten des Raumes abschloss. Ein flüchtiger Blick zeigte mir, dass man von hier aus eine herrliche Aussicht in den Konzertsaal hatte. Inzwischen hatte ich wieder genügend Sauerstoff in den Lungen, um die beiden Personen ansprechen zu können.
    »Haben Sie eine Frau gesehen«, schnaufte ich ihnen staccatomäßig entgegen. »Gerade eben?«
    Der Brillenträger zog einen Regler zurück und stand auf. »Was ist denn heute hier los?

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