Künstlerpech: Palzkis achter Fall
Pfalzbaus, die man nur aus der Luft haben konnte: An das Podest schloss sich eine Treppe an, die zwei Stockwerke tiefer auf dem Dach der Vorderfront des Pfalzbaus endete. In 50 Metern Entfernung begrenzte der mächtige Theatersaal den Horizont. Mir wurde das erste Mal bewusst, dass die beiden Säle durch wesentlich niedrigere Gebäudeteile verbunden waren. Im Mittelteil, direkt hinter der Vorderfront, war der Gebäudekomplex noch mal ein Stockwerk niedriger. Der Gitterrostweg, an dessen Anfang ich stand, lief nach der Treppe zunächst einige Meter auf dem flachen Vorderdach entlang, um dann erneut mittels einer Treppe in dem niedrigen Mittelteil zu münden. Was sich dort befand, konnte man, wie vorhin den Speicher, am besten mit einer Science-Fiction-Szene beschreiben: Es sah aus wie eine wissenschaftliche Versuchsstation auf dem Mond. In Wahrheit waren es wahrscheinlich Transformatorenhäuschen sowie die Außeneinheiten der Klimageräte.
Ich konnte fast alles überblicken. Hier draußen würde sich die Unbekannte weit schwieriger verstecken können als drinnen auf dem Dachboden des Konzertsaals. Ich beschloss, umzukehren. Und das war mein Fehler. Ich öffnete die Tür, und im gleichen Moment sauste etwas auf mich zu und mir wurde schwarz vor Augen.
*
»Hallo, können Sie mich hören?«
Die Stimme kam aus der Unendlichkeit. Wer war es? Wer war ich? Wo war ich überhaupt? Meine zentnerschweren Augenlider ließen sich zunächst nur einen oder zwei Millimeter öffnen. Wie durch eine Nebelwand erkannte ich schemenhaft einen Menschen, der sich über mich beugte.
»Ich glaube, er kommt zu sich«, sprach das Gesicht.
»Der Sanitäter ist unterwegs«, sagte eine andere Person, die sich außerhalb meines begrenzten Blickwinkels aufhielt.
Mein Schädel war dem Platzen nahe, ein unsichtbares Monster hämmerte mit einem Vorschlaghammer auf meinen Schläfen herum. Weitere Schmerzquellen konnte ich mit bestimmten Körperregionen in Verbindung bringen: Mein kompletter Rücken brannte wie Feuer, insbesondere an den Stellen, an denen ich mir gestern blaue Flecken eingehandelt hatte. Jemand wischte mir mit einem Taschentuch über die Augen, es fühlte sich warm und klebrig an.
»Bleiben Sie liegen, die Platzwunde an Ihrer Stirn ist nicht von schlechten Eltern.«
Meine Umwelt klarte sich optisch auf, ich sah in das grübelnde Gesicht des pinkfarbenen Brillenträgers. »Na, alles klar? Wer hat Ihnen denn eins übergezogen?«
Mit seiner Frage konnte ich wenig anfangen. Zunächst wollte ich mich um mein zweitwichtigstes Problem kümmern. Ich lag rücklings auf dem Gitterrostpodest, und dessen Metallkanten drückten dutzendfach wie ein Nagelbrett in Rücken und Beine.
»Helfen Sie mir.« Meine Aussprache empfand ich wider Erwarten als recht deutlich und ich streckte meine Arme nach oben. »Ich will mich aufsetzen.«
»Ob das eine gute Idee ist?«, meinte der Brillenträger skeptisch und zog sanft an meinen Armen. Ein Mundvoll Mageninhalt schwappte über und tropfte durch den Rost nach unten auf das Flachdach.
»Danke«, sagte ich, als ich die Sitzposition erreicht hatte. »Mir geht’s schon viel besser.«
»Das mag ich bezweifeln«, antwortete mein Ersthelfer. »Hoffentlich ist Ihre Schädeldecke noch heil.«
Das hoffte ich auch. Den Schmerzen nach zu urteilen, würde es eine Weile dauern, bis das verheilt war. Mein Humorzentrum schien unverletzt, und ich beschloss, es zu testen. »Bei meinem Dickschädel kann das nur ein Kratzer sein. Deswegen bin ich sogar beim Motorradfahren von der Helmpflicht befreit.«
»Dann ist ja alles bestens. Übrigens, mein Name ist Michael Schermer, ist bin stellvertretender technischer Leiter. Und das ist – «, er zeigte auf die zweite Person, in dem ich nun den Jüngeren widererkannte, der vorhin am Spot-Scheinwerfer gestanden war, »Heiko Raubach, zuständig für Licht und Ton.«
»Prima«, sagte ich. »Jetzt brauchen wir nur noch den Zuständigen für Leib und Seele.«
Raubach missverstand mich. »Sie wollen einen Pfarrer? Geht es Ihnen so schlecht?«
»Nein, einen Arzt meine ich. Aber keinen Metzger.«
Aus meinen Augenwinkeln heraus bemerkte ich, wie die beiden sich zuzwinkerten. Für sie musste ich wohl im Delirium reden. Bestimmt hatten sie noch nie mit Dr. Metzger zu tun gehabt.
Nun vernahm ich eine Stimme, die ich kannte. Gerhard beugte sich zu mir runter. »Wie hast du das jetzt wieder geschafft?«, sagte er vorwurfsvoll. »Gut, dass ich gefahren bin, sonst müssten
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