Künstlerpech: Palzkis achter Fall
in den Arm. »Gleich morgen früh frage ich ihn, ob er ein paar Freikarten für uns hat.«
Stefanie lächelte und mir fiel etwas auf. Es war ruhig im Haus. Verdammt ruhig für diese Uhrzeit.
»Um Himmels willen, was ist mit den Zwillingen? Sag schon!«
»Lisa schläft bereits seit einer halben Stunde und Lars ist vor zehn Minuten eingeschlafen. Ich hoffe, dass es ihr erster Nachtschlaf ist.«
Zur Erklärung muss man sagen, dass das Wort Nachtschlaf bei uns ein Synonym für die Zeitspanne von 60 bis maximal 100 Minuten war.
»Und was ist mit Melanie und Paul?«
Die Frage nach Melanie hatte sich im gleichen Moment erledigt. Sie kam ins Wohnzimmer.
»Hi, Daddy. Schau mal, was ich heute gekriegt habe!« Sie überreichte mir ein DIN A 3 großes Blatt, das durch Trennlinien in kleine Rechtecke perforiert war. »Das sind alles kostenlose Gutscheine fürs Caravella. Der Besitzer meinte, wir würden so was jetzt jede Woche bekommen, solang der Vertrag läuft.«
Für einen Moment hörte sogar mein Schläfenpochen auf. Irgendwie musste ich mich aus dieser Situation rausmogeln und alles möglichst schnell geradebiegen. Immer diese blöden und unverschuldeten Fettnäpfchen, die sich vor mir auftaten.
»Was für ein Vertrag?« Stefanie wurde aufmerksam. Sie nahm mir die Gutscheine ab und warf einen Blick darauf. »Das ist ja lauter ungesundes Zeug. Und alles mit Ketchup und Mayo. Wer isst denn so etwas?« Sie schaute mir auf den Bauch. »Außer dir natürlich.«
Ich wollte gerade ansetzen und mich mit einem Witz außer Gefahr bringen, doch ich hatte keine Chance.
»Melanie, du hast von einem Vertrag gesprochen. Um was geht es da genau?«
»Das ist polizeiintern«, mischte ich mich ein, um Melanie vor einer Notlüge zu bewahren. »Wir lassen uns zurzeit testweise auf der Dienststelle vom Caravella beliefern. Das könnte billiger sein, als eine Kantine einzurichten.«
Stefanie roch den Braten. »Und du hast das wohl initiiert und bekommst als Schmiergeld die Gutscheine. Mensch, Reiner, wenn das jemand mitkriegt, was du damit zu schaffen hast.«
Hoffentlich bekam Stefanie niemals mit, was ich da wirklich geschafft hatte.
»Selbstverständlich nutze ich die Gutscheine nicht für mich privat. Davon werden alle Kollegen profitieren.«
Meine Frau referierte noch eine Weile über gesundes Essen und dass auch Polizeibeamte mal einen Salat essen könnten, aber ich hörte nur mit einem Viertelohr zu. Grundsätzlich hatte sie teilweise bestimmt recht, doch mein Problem war existenziell wichtiger. Ich musste diesen blöden Werbevertrag kündigen und zwar am besten rückwirkend. Es war sowieso bereits ein kleines Wunder, dass ihr noch niemand von den Plakaten oder den Videos berichtet hatte.
Das Thema erledigte sich zunächst von allein. Lisa brach ihren Nachtschlaf Teil 1 ab.
Auf die Schnelle schmierte mir Stefanie ein paar Brote, während ich, hilfsbereit wie stets, Lisa wickelte, die fröhlich mit mir lachte. Meine Frau staunte über die Vater-Tochter-Juxerei sowie meine Fertigkeiten. »Gell, da guckst du«, meinte ich nach getaner Arbeit stolz. »Selbst KPD war beeindruckt.«
Stefanie zog sich mit unserer jüngsten Tochter zurück und der momentane Schrecken der Palzki-Familie betrat die Bühne.
Paul schlenderte suchend in die Küche und öffnete hier eine Schublade und dort eine Schranktür. Seine Begrüßung war homöopathisch angedeutet.
»Was suchst du?«, wunderte ich mich.
»Melanie, die doofe Kuh, hat die Schokolade versteckt.«
Magensäure ploppte mir im Reflex hoch. Ich musste Paul helfen.
»Wieso hat sie das getan?«
»Weiß ich doch nicht«, antwortete er und öffnete den Backofen.
Da ich immer noch nichts Näheres wusste, fragte ich weiter: »Wer hat die Schokolade gekauft, und wem gehört sie?«
»Melanie, der bl – «
Ich unterbrach ihn. »Aha, lass mich mal zusammenfassen. Melanie hat von ihrem Taschengeld Schokolade gekauft.«
Paul nickte. »Das ist aber noch lang kein Grund, sie zu verstecken.«
Ich überlegte. Die Motivation, die Schokolade zu finden, stand, nach Personen gerechnet, 2:1. Nach den Mehrheitsregeln müsste ich somit Paul helfen, damit wir die versteckte Süßigkeit fanden. Moralisch wäre das aber verwerflich. Da ich die Moral als eine der wichtigsten Errungenschaften des modernen Menschen ansehe, überredete ich Paul, seine Suchaktion einzustellen, indem ich ihm versprach, morgen mit ihm einkaufen zu gehen.
»Dann gehen wir aber zum Aldi«, meinte er. »Die haben größere
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