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Küss den Wolf

Küss den Wolf

Titel: Küss den Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Engelmann
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mit eingeschalteter Warnblinkanlage an der Bordsteinkante parkte. Dann stiegen wir ein und befanden uns schon auf dem Weg nach… Ja wohin eigentlich?
    Schweigend saßen wir eine Weile nebeneinander, hörten Musik und ließen den Fahrtwind mit unseren Haaren spielen. Ich wünschte, ich hätte eine Mütze dabeigehabt, denn eigentlich war es heute viel zu kühl, um offen zu fahren. Irgendwann waren wir auf der Autobahn Richtung St. Peter-Ording. »Du liebst also das Meer?«, fragte ich und versuchte, das Pochen meines Herzens zu ignorieren. »Ich liebe alles, was mit Natur zu tun hat«, entgegnete Leo.
    Als wir die Autobahn verlassen hatten und auf die Landstraße gebogen waren, konnte ich mich kaum an dem Anblick der gelb blühenden Rapsfelder und grasenden Kühe sattsehen. Pferde galoppierten über die Koppeln oder streckten ihre Köpfe neugierig über den Zaun. »Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich gern auf dem Land leben«, sagte Leo und ich lächelte still in mich hinein. War er derjenige, nach dem mein Herz gesucht hatte, ohne dass ich davon gewusst hatte?
    »Wenn das so ist, musst du unbedingt mal mit zu meiner Großmutter kommen«, rief ich gegen den Fahrtwind, der meine Worte über die Felder trug. »Wieso das?«, fragte Leo und wich einem Traktor aus, dessen Reifen dunkle Erdklumpen auf der Fahrbahn verteilten. Die Luft duftete nach Stall und Gülle, nach frisch gemähtem Gras, nach Nordsee und Regenschleiern und ließ bereits den Frühsommer erahnen. Am Horizont malten Windräder Kreise in die Luft. Es sah so aus, als würden uns ihre rotierenden Arme willkommen heißen.
    »Theodora lebt in einem kleinen Hexenhäuschen in Ohlstedt. Sie hat einen wunderschönen Garten, einen Teich mit vielen Fischen und Fröschen und ein riesiges Waldgrundstück, in dem ich als Kind immer gespielt habe.«
    »Das ist bestimmt traumhaft«, antwortete Leo. »Diese Walddörfer sind wirklich ein echtes Paradies. Kaum zu glauben, dass man am Stadtrand von Hamburg noch derartig idyllische Plätze findet. Deine Großmutter ist zu beneiden.« Mein Herz machte einen erneuten Sprung und ich lächelte still in mich hinein.
    Ich lächelte immer noch, als Leo wenig später meine Hand nahm und mit mir Richtung Meer lief. »Das ist vermutlich der breiteste Strand der Welt«, rief er begeistert, nachdem wir eine Weile dagestanden und die Möwen beobachtet hatten. Laut kreischend zogen sie am Himmel ihre Bahnen und stießen nur hin und wieder hinab ins Wasser, um Beute zu machen.
    »Wenn es nach mir ginge, hätte ich auch nichts gegen ein Häuschen am Meer einzuwenden«, griff ich den Gesprächsfaden auf und beobachtete fasziniert, wie das Nordseewasser gurgelnd über den Sand schäumte. Mitten in dieses Idyll platzte das Klingeln meines Handys. »Wo steckst du? Wir wollten doch einkaufen gehen«, fragte meine Mutter. Mist, ich hatte vollkommen vergessen, dass wir heute Sommersachen shoppen wollten. »Ich… ich… bin in St. Peter-Ording. Tut mir leid, ich habe unsere Verabredung vergessen. Lass uns das morgen nachholen, wenn es für dich okay ist.«
    Und schon wieder stand die Welt kopf: Normalerweise war Verena diejenige, die unsere Verabredungen vergaß oder endlos lange hinausschob. »Mit wem bist du denn da?«, fragte sie. Ihre Irritation war kaum zu überhören. Ich antwortete, ohne mit der Wimper zu zucken: »Mit Tinka und Guido«, und vermied jeglichen Blickkontakt mit Leo. Es kam nur sehr selten vor, dass ich meine Mutter anlog. »Bereust du es, dass wir hierhergefahren sind?«, fragte Leo, nachdem wir eine Weile Hand in Hand am Strand entlanggewandert waren. »Sollte ich das?«, fragte ich zurück und zog meine Chucks aus. Man konnte nicht am Meer spazieren gehen, ohne den Sand unter den Füßen und zwischen den Zehen zu spüren. Ich überlegte kurz, ob ich Leo fragen sollte, ob er der geheimnisvolle Anrufer gewesen war, der zweimal versucht hatte, mich mitten in der Nacht zu erreichen – doch ich ließ es. Manche Fragen blieben besser ungefragt…
    »Und? War’s schön?«, wollte Verena wissen, nachdem Leo mich gegen halb zehn zu Hause abgesetzt hatte. »Traumhaft schön«, bestätigte ich und meinte damit eher die Zeit mit Leo als das Meer. »Ist schon lange her, seit wir zuletzt gemeinsam dort waren«, entgegnete Verena und wirkte ungewöhnlich nachdenklich. »Ich habe gerade überlegt, ob wir in den Sommerferien etwas gemeinsam machen sollten. Es dauert schließlich nicht mehr lang, dann bist du achtzehn und hast

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