Kuess mich doch - Roman
Kannst du vielleicht ein bisschen deutlicher werden, Grandma?«
»Tja, es gibt Fotos, die beweisen, dass du gestern Abend ein richtiges Rendezvous hattest – und zwar mit diesem knackigen Journalisten aus dem Bachelor Blog.« Charlotte, die als Frühaufsteherin stets fertig geschminkt war, wenn Lexie erwachte, wackelte mit den perfekt nachgezogenen Augenbrauen.
»Fotos?«, fragte Lexie vorsichtig. Charlotte und Sylvia wechselten einen Blick. Dann zuckte Sylvia die Achseln und stupste die Computermaus an, so dass der Bildschirmschoner verschwand und die Webseite dahinter sichtbar wurde.
Lexie rückte ihre Brille zurecht und beugte sich nach vorn, um besser sehen zu können. Auf der Morgenausgabe des Bachelor Blogs prangte folgende Schlagzeile: Der begehrenswerteste Junggeselle der Stadt hat es eilig. Steht demnächst eine Verlobung ins Haus? Darunter waren zwei unscharfe Fotos zu sehen. Das erste zeigte Coop, der Lexie den Ring reichte. Auf dem zweiten hatte sich Lexie besagten Ring angesteckt, und Coop betrachtete sie lächelnd. Er sah zum Anbeißen aus.
»Ach, du liebe Zeit!«, stieß Lexie hervor. So eine Frechheit – da hatte doch tatsächlich jemand klammheimlich ein Foto von ihnen geschossen!
»Sieh nur, wie verliebt er wirkt!« Sylvia seufzte verträumt.
Verliebt? Ehe Lexie etwas darauf sagen konnte, piekte ihre Großmutter sie mit dem Finger in die Schulter. »Wie konntest du nur eine alte Frau belügen?« Dann presste sie sich die Hand aufs Herz.
Sylvia surfte derweil munter weiter.
»Hör mit dem theatralischen Getue auf, Grandma. Ich habe dich nicht belogen. Er ist ein Kunde, und ich designe seine Webseite.«
»Und was ist mit dem Ring?«
Lexie konnte nur hoffen, dass sie nicht noch einmal erröten und sich damit verraten würde. »Den hat er mir nur gezeigt.«
»Und, passt er zu meiner Halskette?«, wollte Charlotte wissen.
Zwei Augenpaare ruhten erwartungsvoll auf Lexie.
Diese zögerte. Ehe sie mehr wusste, wollte sie ihrer Großmutter keine allzu großen Hoffnungen machen. »Möglich wär’s, aber sicher bin ich mir nicht«, sagte sie, um ihrer Großmutter eine mögliche Enttäuschung zu ersparen, falls der Ring doch gestohlen sein sollte und sie ihn zurückgeben musste. »Jedenfalls habe ich mich, als ich den Ring gesehen habe, unwillkürlich gefragt, wie Grandpa eigentlich in den Besitz der Kette gekommen ist.«
Charlotte und Sylvia wechselten einen vielsagenden Blick, als wüsste jede genau, was die andere gerade dachte, während Lexie wieder einmal vergeblich zu erraten versuchte, was in ihren Köpfen vor sich ging.
Charlotte räusperte sich. »Dein Großvater hat die Kette als Lohn für seine Dienste bekommen.«
»Seine Fahrdienste, meinst du?«, fragte Lexie. Ihr Großvater war jahrelang bei verschiedenen reichen Familien als Chauffeur tätig gewesen.
Charlotte nickte. »Und, wann zeigst du ihn mir?«
»Den Ring?«, fragte Lexie.
»Nein, du Dummerchen, deinen Verehrer natürlich! Ich möchte den Mann, den du heiraten wirst, kennenlernen! Den Ring kann er mir ja dann bei Gelegenheit zeigen.«
Lexie verdrehte die Augen und winkte ab: »Wir sind nicht verlobt, Grandma.«
»Fotos lügen nicht«, riefen Charlotte und Sylvia im Chor.
Die beiden waren ganz schön hartnäckig. Lexie dämmerte allmählich, dass ihre Großmutter so lange versuchen würde, vom Thema Halskette abzulenken, bis sie etwas über Coop erzählt hatte.
Lexie schloss die Augen und zählte leise bis zehn. Dabei atmete sie ein paarmal tief durch, wie sie es von ihrem Yoga-Lehrer gelernt hatte. »Also gut, ich werde sehen, was ich tun kann«, versprach sie, um Zeit zu gewinnen.
Sie hatte allerdings nicht vor, Coop hierherzubringen, denn dann würde der Stein erst so richtig ins Rollen kommen, und darauf konnte sie im Augenblick wirklich verzichten.
»Gut! Sag einfach Bescheid, wann ihr kommt, und dann koche ich euch ein schönes Essen.«
Lexie zwang sich zu lächeln. »Habt ihr etwas dagegen, wenn ich kurz online die Zeitung lese?«, fragte sie in der Hoffnung, den Diskussionen damit ein Ende zu bereiten.
Die beiden Frauen machten Platz, und Lexie ließ sich auf den Schreibtischsessel sinken. Sie hatte zwar
eine ordentliche Dosis Koffein intus, aber bei weitem nicht genug, um gegen dieses Duo des Schreckens anzukommen.
Sie öffnete die Webseite der Daily Post , um einen kurzen Blick auf die Rubrik Verbrechensbekämpfung zu werfen. Sie wollte ein paar von Sam Coopers Artikel lesen und etwas mehr über
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