Kuess mich doch - Roman
auszukommen. Er gab sich einen Ruck und stellte die Frage, die ihm schon auf der Zunge lag, seit er aufgewacht war und wieder klar denken konnte. »Und, was hältst du von meinem Buch?«
Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen. »Ich konnte es nicht weglegen.«
Das hatte er gemerkt. »Und?«
»Die Geschichte ist echt fesselnd, Coop. Sie hat mich total in ihren Bann gezogen. Die Charaktere wirken realistisch, die Spannung ist unglaublich. Das Buch ist der Hammer!«
Genau das hatte er hören wollen, doch er ahnte, dass das noch nicht alles war. »Aber?«, fragte er und wunderte sich, seit wann er eigentlich masochistisch veranlagt war.
Da lag eine wunderschöne Frau in seinem Bett, die ihm Komplimente für seine Arbeit machte, und er war nicht zufrieden.
Sie setzte sich aufrecht hin und sah ihn an. »Also gut, hör zu.«
Er lehnte sich gegen das Kopfende des Betts und wappnete sich für die Kritik, die ihm mit großer Wahrscheinlichkeit nicht schmecken würde, auch wenn er selbst darum gebeten hatte.
»Ich hatte Schwierigkeiten mit den Schauplätzen«, gab sie zögernd zu, als wüsste sie nicht recht, ob sie fortfahren sollte oder nicht.
»Sprich ruhig weiter«, ermunterte er sie. »Ich vertrage das schon.«
Sie leckte sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Er bemühte sich, sich von dem Anblick nicht ablenken zu lassen, doch sein Körper reagierte prompt, und im Nu hatte er eine Morgenlatte.
»Es ist nur … Okay, nehmen wir zum Beispiel die Szene in East Harlem, wo der Polizist den Hauptverdächtigen sucht. Wir wissen, was in seinem Kopf vorgeht. Wir wissen, wie aufgewühlt und wütend er ist und warum. Aber was sieht er auf der Straße?« Während sie sprach, gestikulierte sie lebhaft mit den Händen. »So, wie du die Szene geschrieben hast, hätte sie sich überall abspielen können. Hier braucht der Text einfach mehr Farbe. Du musst die Atmosphäre beschreiben, und zwar so realistisch, dass der Leser die Umgebung vor seinem geistigen Auge sehen kann. Warst du je dort?«, fragte sie.
»Natürlich. « East Harlem war praktisch sein Hinterhof. Er hatte Erfahrungen aus erster Hand verarbeitet.
»Tja, dann musst du die ethnische Vielfalt zeigen; die Gerüche beschreiben, die einem aus den verschiedenen exotischen Restaurants in die Nase steigen. Du musst die Salsa-Klänge erwähnen, die aus den geöffneten Fenstern auf die Straße dringen …« – sie schnippte zu einem imaginären Rhythmus mit den Fingern – »… Und das vielsprachige Stimmengewirr – schließlich vermischen sich hier Leute aus aller Herren Länder und aus sämtlichen Altersgruppen. « Ihre Augen leuchteten vor Begeisterung, ja, Leidenschaft. Ihr Enthusiasmus war ansteckend und entführte ihn unversehens in die Welt, die sie mit ihren eindringlichen Worten erschaffen hatte.
Plötzlich sah er East Harlem mit ihren Augen. Er hatte das Gefühl, durch die nächtlichen Straßen zu gehen, Rauchschwaden aus den Gullys steigen zu sehen und genau das zu erleben, was sie soeben beschrieben hatte.
Diese Erfahrung verpasste ihm einen Adrenalinschub, wie er ihn in seinem ganzen Leben noch nicht verspürt hatte. Sie inspirierte ihn wieder zu schreiben, genau wie damals nach dem Abendessen bei ihrer Großmutter.
Er beugte sich zu ihr vor und drückte ihr einen kurzen Kuss auf die Lippen.
Ihre Pupillen weiteten sich. »Wofür war der denn?«, wollte sie wissen. Ihre Stimme klang heiser. »Bist du nicht beleidigt, weil ich deinen Krimi kritisiert habe? «
»Du hast mir mit deiner anschaulichen Beschreibung der ganzen Eindrücke, Farben und Gerüche die Augen geöffnet.«
»Ach, ja?« Sie legte den Kopf schief, so dass ihr eine Locke auf die Wange fiel.
»Ja, und dafür werde ich mich jetzt erkenntlich zeigen. « Er strich ihr mit einem Finger die Haarsträhne aus dem Gesicht.
Lexie lächelte, mehr als bereit dafür, auf sein Angebot einzugehen. Was für Hindernisse auch immer zwischen ihnen stehen mochten, die Leidenschaft, mit der sie einander im Bett begegneten, war stärker. Er streckte die Arme nach ihr aus, doch sie hatte bereits beschlossen, dass sie diesmal bestimmen würde, wo es langging. Gleiches Recht für alle.
Ehe er wusste, wie ihm geschah, hatte sie sich auch schon rittlings auf ihn gesetzt.
»Sieh an, sieh an«, murmelte er beifällig. Seine Stimme war rau, und in seinen weit aufgerissenen Augen blitzte das Begehren auf.
»Genau das habe ich vor – mir dich mal gründlich anzusehen.«
»Nur zu.« Er streckte
Weitere Kostenlose Bücher