Kuess mich doch - Roman
zu konzentrieren. Sie sperrte die Wohnungstür auf und drehte sich zu Charlotte um, die direkt hinter ihr stand. Sie sah müde
und zerbrechlich aus. »Grandma, geh jetzt bitte schlafen, ja?«, bat Lexie. Sie war selbst total erschöpft. »Wir können morgen weiterreden.«
Charlotte nickte und schlurfte ins Schlafzimmer.
Sobald sie hörte, dass die Schlafzimmertür geschlossen wurde, ließ sich Lexie auf die Couch plumpsen. Ihr taten sämtliche Glieder weh, aber nichts schmerzte mehr als die Vorstellung, sie könnte womöglich ihre Großmutter verlieren.
Coop ging neben ihr in die Knie und strich ihr das Haar aus dem Gesicht. »Der Arzt hat gesagt, es geht ihr gut«, erinnerte er sie, als könnte er ihre Gedanken lesen.
»Aber ihr Blutdruck ist immer noch zu hoch. Ihre Medikamente müssen neu eingestellt werden. «
»Sie wird das machen lassen.« Sein beruhigender Tonfall wirkte wieder einmal entspannend auf sie.
»Ist dir auch aufgefallen, dass es gar nicht die Bemerkung meines Vaters war, bei der sie ausgeflippt ist? Eigentlich war es die Unterhaltung über die Halskette. «
Coop nickte. Das war ihm in der Tat aufgefallen. Er hatte zwar nicht vorgehabt, das Thema aufs Tapet zu bringen, doch jetzt, wo Lexie von sich aus darauf zu sprechen kam, stimmte er ihr zu. »Sie wollte ganz offensichtlich nicht darüber sprechen.«
»Weil sie etwas zu verbergen hat und ahnt, dass wir ihr auf die Schliche gekommen sind. «
Er registrierte den Kummer in ihrer Stimme, musste ihr aber Recht geben.
»Was meinst du, wird ihr Blutdruck wieder in die Höhe schnellen, wenn wir das Thema das nächste Mal ansprechen? Hältst du es für möglich, dass sie deswegen einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall bekommt? « Sie rieb sich mit beiden Händen die Schläfen.
Er wünschte, er könnte Lexie beruhigen oder irgendwie helfen, aber er wusste nicht, wie er es anstellen sollte.
»Könntest du mir bitte ein Aspirin aus dem Medizinschrank im Badezimmer bringen?«, bat sie ihn. »Ich habe fürchterliche Kopfschmerzen. «
»Sicher.« Coop war froh, etwas für sie tun zu können. Er erhob sich, holte die Tabletten aus dem Bad und ein Glas Wasser aus der Küche.
Als er ein paar Minuten später wiederkam, war Lexie bereits eingeschlafen.
Er legte die Tabletten auf den Tisch, stellte das Glas Wasser daneben und machte es sich auf der Couch neben Lexie bequem. Sollte er sie zudecken und hier liegen lassen oder lieber in ihr Bett bringen, wo sie sicher besser schlafen würde? Er nahm ihr behutsam die Brille ab und legte sie auf den Tisch, dann machte er es sich neben ihr gemütlich und lauschte zufrieden ihren regelmäßigen Atemzügen.
Das leise, friedliche Geräusch verriet nichts über den Konflikt, der in ihr schwelte. Ihre heiß geliebte Großmutter hatte eine dubiose Vergangenheit, und je mehr sie Charlotte unter Druck setzten, endlich die Wahrheit zu sagen, desto mehr gefährdeten sie womöglich ihre Gesundheit.
Leider konnte Coop nicht anders, als offen und ehrlich Nachforschungen über die Vergangenheit anzustellen. Er ging davon aus, dass auch Lexie nach wie vor die Wahrheit wissen wollte, und sei es nur, um ihren inneren Frieden zu finden. Diesbezüglich waren sie sich einig gewesen.
Doch was sollten sie mit den neu gewonnenen Erkenntnissen tun, wenn sie das Geheimnis erst einmal gelüftet hatten? Coop hatte das deutliche Gefühl, dass die Diskussion zur Entscheidungsfindung noch einiges Konfliktpotenzial in sich bergen konnte.
Charlotte marschierte in ihrem Schlafzimmer auf und ab, bis sie ganz sicher war, dass Coop die Wohnung verlassen hatte. Dann ließ sie sich auf ihrem Bett nieder und wartete ungeduldig darauf, wie üblich das Knarren und Einschnappen von Lexies Tür zu hören. Sie wartete vergeblich. Als ihr das Warten schließlich zu dumm wurde, schlich sie auf Zehenspitzen in den Korridor – und sah, dass ihre Enkelin auf der Wohnzimmercouch lag und tief und fest schlief. Sie huschte weiter zur Tür und machte sich schnurstracks auf den Weg zu Sylvia, ihrer Freundin und ehemaligen Komplizin.
Es gab eine ganze Menge zu besprechen. Außerdem mussten sie sich unbedingt einen Plan zurechtlegen, denn Lexie und Coop hatten ganz offensichtlich Lunte gerochen. Ganz egal, was oder wie viel sie wussten, es konnte ihnen allen zum Verhängnis werden und ihr jahrzehntelang sorgfältig gehütetes Geheimnis
auffliegen lassen. Charlotte musste mit allen Mitteln verhindern, dass Coop ihre Vergangenheit als Diebin
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