Küss mich Engel
dazu bringen kann, ihm die Erziehung des Kindes zu überlassen.«
»Aber er weiß, dass ich die Pille nehme. Amelia hat mich zu ihrem eigenen Hausarzt mitgenommen. Sie hat das Rezept sogar selbst ausgefüllt, weil sie meinte, sie würde mir nicht zutrauen, alles richtig zu machen.«
»Offenbar ist Amelia nicht so versessen darauf wie dein Vater, einen kleinen Petroff-Romanov im Haus rumlaufen zu haben. Oder vielleicht will sie einfach keine Großmutter werden. Ich schätze, er weiß nichts davon, und ich bezweifle, dass deine Stiefmutter es ihm verrät.«
Sie starrte trübe durch die Windschutzscheibe auf die vierspurige Schnellstraße, an der sich ein Supermarkt neben den anderen reihte. Ein Taco Bell flog an ihnen vorbei, daneben ein Subaru-Händler. Irgendwie kam ihr das alles auf einmal so irreal vor, diese Monumente moderner Zivilisation, während sie sich über uralte Monarchien unterhielten. Und dann schoss ihr ein schrecklicher Gedanke durch den Kopf.
»Prinz Alexei war Bluter, und das ist erblich. Du hast das doch nicht auch, Alex, oder?«
»Nein. Es wird nur über Frauen weitergegeben. Alexei hatte die Krankheit zwar, aber er war kein Träger.« Er wechselte auf die linke Spur. »Lass dir was von mir sagen, Daisy, und schlag dir das alles aus dem Kopf. Wir bleiben sowieso nicht verheiratet, und du wirst auch nicht schwanger, also hat meine Herkunft überhaupt nichts mit dir zu tun. Ich hab dir das alles nur erzählt, damit du aufhörst zu bohren.«
»Ich bohre nicht.«
Seine Augen glitten lüstern über ihren Körper. »Das ist, wie wenn du sagst, du -«
»Moment mal. Wenn du jetzt dieses Wort mit ›f‹ sagst, dann wird es dir sehr leid tun.«
»Was ist das für ein Wort? Sag‘s mir ins Ohr, damit ich weiß, was du meinst.«
»Ich sag‘s dir ganz bestimmt nicht ins Ohr.«
»Dann buchstabiert.«
»Ich buchstabiert auch nicht.«
Er triezte sie die ganze Strecke bis zum Zeltplatz damit, konnte sie aber nicht dazu bringen, es zu sagen.
Am frühen Nachmittag war aus dem Regen eine Sturzflut geworden. Obwohl sie die von Alex geborgte Regenhaut obenrum trocken hielt, waren ihre Jeans, als sie endlich mit der Menagerie fertig war und auch bei Tater vorbeigeschaut hatte, bis zu den Fußgelenken voller Schlamm, und ihre Turnschuhe fühlten sich an wie glitschige Bleigewichte.
An diesem Nachmittag, kurz vor der ersten Vorstellung, kamen alle bei ihr vorbei, um kurz mit ihr zu reden. Brady entschuldigte sich wegen seines unhöflichen Verhaltens von gestern, und Jill lud sie zu einem Einkaufsbummel irgendwann in dieser Woche ein. Die Toleas und Lipscombs gratulierten ihr ausdrücklich zu ihrem Mut, und die Clowns überreichten ihr einen Papierblumenstrauß.
Trotz des schlechten Wetters hatte die Publicity um Sinjun eine beträchtliche Zuschauermenge angelockt, und die Vierzehn-Uhr-Vorstellung lief prima. Jack wrang die Geschichte von Daisys Heldentat bis zum letzten Tropfen aus, doch sie ruinierte den Effekt ein wenig, indem sie aufjaulte, als Alex ihre Handgelenke mit der Peitsche umschlang.
Als die Vorstellung vorbei war, zog sie sich in einer eilends improvisierten Umkleidezone am Hintereingang, die die Artisten benutzten, damit ihre Trikots nicht nass wurden, ihre schlammverschmierten Jeans wieder über. Nachdem sie die Regenhaut bis zum Hals zugeknöpft und die Kapuze aufgezogen hatte, duckte sie sich und stürzte sich hinaus in die Sintflut. Obwohl es noch nicht ganz vier Uhr nachmittags war, waren die Temperaturen bereits rapide gesunken, so dass ihr die Zähne klapperten, als sie schließlich beim Wohnwagen ankam. Sie stieg aus den nassen Jeans, drehte eine kleine Elektroheizung auf und machte alle Lichter an, weil es draußen so grau und trübe war.
Im Wohnwagen wurde es langsam wärmer, und das weiche Licht beleuchtete ihre angesammelten Einrichtungs- und Dekorationsschätze. Sie merkte auf einmal, dass ihr das Innere des Trailers noch nie so gemütlich vorgekommen war wie in diesem Augenblick. Sie zog einen kuscheligen pfirsichfarbenen Jogginganzug an und ein Paar Wollsocken, dann machte sie sich in der kleinen Küche zu schaffen. Sie aßen gewöhnlich vor der letzten Vorstellung, und in den vergangenen Wochen hatte sie den Großteil des Kochens übernommen, was ihr auch gefiel, solange sie sich nicht an irgendein Kochbuch halten musste.
Sie schnitt summend eine Zwiebel auf und ein paar runzelige Stücke Sellerie. Das Ganze briet sie dann in einer kleinen Pfanne an und fügte am Schluss
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