Küss mich Engel
Abend, an dem er sie ins Restaurant ausgeführt und die erotischen Spielchen mit ihr gespielt hatte, suchte er nach Vorwänden, um auf sie einzuhacken, und jetzt funkelte er sie böse an, während er sich mit dem Armrücken den Schweiß von der Stirn wischte.
»Hättest du nicht was tanken können, als du in der Stadt zum Einkaufen warst?«
»Es tut mir leid. Ich hab nicht bemerkt, dass er schon fast leer war.«
»Du merkst nie was«, sagte er böse, »Glaubst du etwa, der Wagen fährt mit Luft?«
Sie knirschte mit den Zähnen. Es war, als wäre sie ihm an jenem Abend zu nahe gekommen, und nun hatte er das Gefühl, sich wieder von ihr distanzieren zu müssen. Bis jetzt war es ihr gelungen, sämtlichen auf sie abgefeuerten Granaten auszuweichen, aber es fiel ihr immer schwerer, sich zu beherrschen. Jetzt musste sie sich zwingen, in einem vernünftigen Ton zu sprechen. »Ich wusste nicht, dass du wolltest, dass ich tanke. Das hast du doch sonst immer selbst erledigt.«
»Nun, falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, ich hab in letzter Zeit ‘ne Menge am Hals. Wir hatten ein paar kranke Pferde, ein Feuer im Küchenzelt, und jetzt hab ich auch noch diesen Arsch vom Gesundheitsamt am Hals, der mir völlig unberechtigte Strafandrohungen macht.«
»Ich weiß, dass du ganz schön unter Druck stehst. Wenn du was gesagt hättest, hätte ich gerne getankt.«
»Sicher hättest du das. Und wie oft hast du schon ‘ne Pumpe bedient?«
Sie zählte still bis fünf. »Noch nie. Aber ich kann‘s ja lernen.«
»Mach dir keine Mühe.« Er stapfte davon.
Sie konnte sich nicht eine Sekunde länger im Zaum halten. Die Hände in die Hüften gestemmt, rief sie ihm nach: »Und ich wünsch dir auch noch einen recht schönen Tag.«
Er hielt inne, drehte sich langsam um und funkelte sie bitterböse an. »Reiz mich bloß nicht.«
Sie verschränkte die Arme über der Brust und tappte mit der Turnschuhspitze in den Sand. Bloß weil er vor einem Gefühlschaos flüchtete, mit dem er nicht fertig wurde, bedeutete das noch lange nicht, dass er seinen Frust die ganze Zeit an ihr auslassen konnte. Seit Tagen mühte sie sich nun schon um Geduld, aber was genug war, war genug.
Er presste die Kiefer aufeinander und stürmte auf sie zu.
Sie richtete sich gerade auf und wich keinen Millimeter von der Stelle.
Direkt vor ihr blieb er stehen, sie bewusst mit seiner Körpergröße einschüchternd.
Sie musste zugeben, dass ihm das ziemlich gut gelang.
»Passt dir was nicht?« bellte er sie an.
Dieser ganze Streit war einfach lächerlich, und auf einmal saß ihr wieder der Schalk im Nacken. Sie musste lächeln. »Falls dir je jemand sagt, dass du gut aussiehst, wenn du wütend bist, dann glaub‘s nicht.«
Sein Gesicht lief krebsrot an, und einen Moment lang fürchtete sie schon, er würde gleich explodieren. Statt dessen hob er sie an den Ellbogen hoch und drückte sie gegen die Zuckerwattebude. Dann küsste er sie, bis sie vollkommen außer Atem war.
Als er sie schließlich wieder auf die Füße stellte, sah er sogar noch missgelaunter aus als vor dem Kuss. »Es tut mir leid!« brüllte er.
Als Entschuldigung war das nicht gerade beeindruckend, und als er danach davonstürmte, glich er mehr einem wildgewordenen Tiger als einem reuigen Ehemann. Sie wusste zwar, dass er ziemlich litt, doch es reichte ihr allmählich. Warum musste er es ihnen nur immer so schwermachen? Warum konnte er nicht einfach akzeptieren, dass er sie liebte?
Sie musste an die Verletzlichkeit denken, mit der er sie angesehen hatte, als er sie bat, ihm noch ein wenig Zeit zu geben, und sie vermutete, dass er sich fürchtete, dem, was er fühlte, einen Namen zu geben. Der Gegensatz zwischen dem, was er für sie empfand, und seinen bisherigen Erfahrungen mit sich selbst zerriss ihn.
Das redete sie sich zumindest ein, denn die Alternative dass er sie möglicherweise überhaupt nicht liebte -, war nicht auszudenken, besonders, wo sie ihm noch immer nichts von dem Kind gesagt hatte.
Sie hatte alle möglichen Entschuldigungen für ihre Feigheit. Als es noch gut lief zwischen ihnen, hatte sie ihre Harmonie nicht zerstören wollen, und nun, da alles auseinanderbrach, hatte sie Angst, es ihm zu sagen.
Aber es war trotz allem Feigheit, und sie zwang sich, der Wahrheit ins Auge zu blicken. Probleme waren dazu da, dass man sich ihnen stellte, doch sie rannte die ganze Zeit vor ihnen davon. Es war nun beinahe schon einen Monat her, seit sie den Schwangerschaftstest gemacht
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