Küss mich hier und küss mich jetzt (Julia) (German Edition)
einen Schalter umlegen und die Bilderflut stoppen. Doch selbst wenn es möglich wäre, ihr Körper würde sich dennoch an alles erinnern und vor Verlangen nach Kit erschauern.
Es war ein wunderschöner Wintertag, Schnee glitzerte in der Sonne, die von einem wolkenlosen blauen Himmel schien. Vor der Kirche standen Menschen in kleinen Grüppchen zusammen und stampften mit den Füßen, um sich warm zu halten, während sie sich unterhielten.
Als sie aus dem Wagen stiegen, und Jasper einen Arm um seine Mutter legte, hielt Sophie verstohlen Ausschau nach Mrs Daniels und Thomas. Unauffällig versuchte sie, sich zurückfallen zu lassen. Doch da wurde sie auch schon am Arm festgehalten.
„Oh nein, das wirst du nicht tun“, sagte Kit grimmig.
Ohne ihren Arm loszulassen, schob er sie hinter Tatiana und Jasper in die Kirche. Sophie spürte, wie neugierige Blicke sich auf sie richteten. Bestimmt fragten die anderen Trauernden sich, mit welchem Recht sie hier war. Plötzlich wurde ihr mit Entsetzen klar, dass die meisten vermutlich davon ausgingen, dass sie zu Kit gehörte.
„Ich bin die Auferstehung und das Leben …“
Mit vollkommen ruhigen Händen hielt Kit das Gesangbuch. Sophie wusste, dass er es keines Blickes würdigte, sondern kühl geradeaus starrte. Es war, als habe sie einen siebten Sinn entwickelt, der ihr jedes Detail über ihn verriet.
War es das, was die Liebe mit einem machte?
Sie hob den Kopf und betrachtete das Fenster aus buntem Glas hinter dem Altar. Die Wintersonne schien durch die Scheibe und brachte die Farben zum Leuchten. Das ist also meine Strafe, dachte sie mit einem schwachen Lächeln. Weil ich mit den Gefühlen von Jean-Claude und anderen Männern gespielt habe. Weil ich geglaubt habe, über ihnen zu stehen und mich immer so verächtlich über die Liebe geäußert habe …
Die Gemeinde setzte zu einer sakralen Hymne an. Wie betäubt erkannte Kit die Worte wieder. Es ging darum, sich zu opfern, sein Leben für sein Land zu geben. Unvermittelt fragte er sich, ob Ralph den alten Text begriffen hätte. Soweit er wusste, zählten für Ralph immer nur seine eigenen Bedürfnisse. Sein Leben hatte er nach dem Lustprinzip geführt.
Ganz sicher hätte er sein Glück nie für das seines Bruders aufgegeben.
Zählte das als weiterer charakterlicher Makel, oder war es vielmehr der Beweis, dass er sich viel schlauer als Kit anstellte?
Kit ließ das Gesangbuch sinken und schloss die Augen. Ein Hauch von Sophies Parfüm stieg ihm in die Nase. Sofort brandete heißes Verlangen in ihm auf. Er musste sich an der Bankreihe vor ihm festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Er hatte zu viele Beerdigungen besucht, zu viele mit Fahnen verhangene Särge getragen, um nicht zu wissen, wie kurz und kostbar das Leben war. Regeln und Prinzipien halfen einem auch nicht mehr, wenn man tot war.
Nein, man sollte immerzu nach Glück streben. Nach Nächten wie jener mit Sophie.
Oder nicht?
Der Priester räusperte sich und setzte dann seine Predigt fort. Kits Blick fiel auf Sophies Hände, die gefaltet in ihrem Schoß lagen. Sie sahen kalt aus. Wie gerne hätte er sie gewärmt, so wie sie ihm vergangene Nacht ihre Wärme geschenkt hatte.
Es war nur Sex. Hatte sie sich nicht damals im Zug am Telefon so ausgedrückt? Nur Sex. Er musste es vergessen. Vor allem jetzt, inmitten der Trauerpredigt …
„Nehmen wir uns nun einen Augenblick Zeit“, sagte der Priester gerade. „Und denken daran, wie der Verstorbene unser Leben berührt hat …“
Du meine Güte, dachte Kit, in meinen Fall ist das wohl keine so gute Idee. Um ihn herum zogen die Menschen Taschentücher hervor und nahmen einander in die Arme. Nur er saß reglos da, in seinem privaten Gefängnis aus Wut und Verbitterung. Allein.
Und dann legte Sophie sehr sanft eine Hand über seine, verschränkte die Finger mit seinen und streichelte mit dem Daumen über seinen Handrücken. Diese Geste hatte absolut gar nichts mit Sex zu tun, sondern nur mit Trost und Verständnis.
Auf einmal war er nicht mehr allein.
„Geht es dir gut?“ Sophie hakte sich bei Jasper unter, nachdem die Predigt vorüber war und sie die Kirche verlassen hatten.
„Ich komme zurecht.“ Er lächelte schwach. „Ich könnte einen Drink gebrauchen.“
„Was passiert jetzt?“
„Die Beisetzung.“ Er erschauerte. „In Alnburgh gibt es eine alte Familiengruft. Sie ist winzig und könnte gut als Kulisse für einen Horrorfilm herhalten. Ma und ich, der Priester und Kit, nehme ich
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