Kuess Mich, Highlander
prächtig er war, musste sie von hier fortgelangen. Während sie miteinander sprachen, wurde irgendwo in der Zukunft die Nachtschwester von der Tagschwester abgelöst, und ihre Mutter hätte sie schon vor Stunden zu Hause zurückerwartet. Wer würde ihre Medizin überprüfen, um sicherzugehen, dass die Krankenschwestern die Dosis richtig bemessen hatten? Wer würde ihre Hand halten, während sie schlief, damit sie nicht allein stürbe, wenn sie entglitt? Wer würde ihre Lieblingsmahlzeiten kochen, um ihren Appetit anzuregen. »Bringt mich zurück«, bat sie.
Er betrachtete sie intensiv und sie hatte erneut das Gefühl, auf einer sehr tiefen Ebene erforscht zu werden. Sein Blick übte einen fast spürbaren Druck aus. Nach langem Schweigen sagte er: »Ich kann Euch nicht zurückschicken, Mädchen. Ich weiß nicht, wie.«
»Was meint Ihr damit, dass Ihr nicht wisst, wie?«, rief sie aus. »Würde es nicht genügen, die Phiole erneut zu berühren?«
Er schüttelte energisch den Kopf. »Das liegt nicht in der Macht der Phiole. Die Zeitreise - wenn Ihr denn tatsächlich durch die Zeit gereist seid - war ein Nebeneffekt der Verwünschung. Ich weiß nicht, wie ich Euch wieder nach Hause schicken könnte. Als Ihr sagtet, Ihr kämt von jenseits des Meeres, dachte ich, ich könnte Euch auf ein Schiff bringen und so nach Hause schicken, aber Euer Zuhause liegt siebenhundert Jahre von hier entfernt.«
»Dann verwünscht etwas anderes, um mich zurückzubringen!«, schrie Lisa.
»Mädchen, so funktioniert das nicht. Verwünschungen sind gerissene kleine Geschöpfe und keine kann die Zeit befehligen.«
»Was werdet Ihr also mit mir tun?«, fragte sie leise.
Er erhob sich mit ausdrucksloser Miene und war wieder der Kriegerlaird, eiskalt und unnahbar. »Ich werde es Euch mitteilen, wenn ich darüber entschieden habe, Mädchen.«
Sie ließ den Kopf in die Hände sinken und brauchte nicht aufzuschauen, um zu wissen, dass er den Raum verließ und sie wieder einschloss. Es kränkte sie, dass er sie so unter Kontrolle hielt, und sie verspürte ein überwältigendes Bedürfnis, das letzte Wort zu haben, so kindisch diese Regung auch war. Sie entschied, dass es ihre Position vielleicht stärken könnte, von Anfang an kleine Forderungen zu stellen.
»Nun, wollt Ihr mich verhungern lassen?«, schrie sie die geschlossene Tür an. Sie hatte schon vor Jahren gelernt, dass man Tränen verhindern konnte, wenn man Widerstand aufbrachte. Manchmal war Zorn der einzige Schutz, den man hatte.
Sie war sich nicht sicher, ob sie wirklich dröhnendes Lachen hörte oder es sich nur einbildete.
6. Kapitel
Lisa erwachte mit wunden, verspannten Muskeln und einem steifen Hals vom Schlafen ohne Kissen - so greifbare Wahrnehmungen, dass sie zu schreien schienen: Willkommen in der Realität. Sie war überrascht, dass sie überhaupt hatte schlafen können, aber die Erschöpfung hatte ihre Paranoia schließlich überwunden. Sie hatte in ihrer Kleidung geschlafen und die Jeans war steif und unbequem. Sie fror, ihr T-Shirt hatte sich ihr um den Hals gelegt, ihr BH sich geöffnet und ihr unterer Rücken schmerzte von der unebenen Matratze.
Sie seufzte, rollte sich auf den Rücken und streckte sich behutsam. Sie hatte geschlafen, beängstigende und unheimliche Träume geträumt und war im selben steinernen Raum erwacht. Das bestätigte es: Dies war kein Traum. Wenn sie noch irgendwelche restlichen Zweifel gehabt hatte, zerstreuten sie sich nun im fahlen Licht der Dämmerung, das die Ränder des sanft wehenden Wandteppichs säumte. Kein Alptraum hätte die Übelkeit erregende Mahlzeit heraufbeschwören können, die sie spät in der Nacht heruntergewürgt hatte, noch hätte sie sich in irgendeinem Traum unterbewusst mit solch primitiven Annehmlichkeiten umgeben. So schöpferisch ihre Fantasie auch war, so war sie doch nicht selbstquälerisch.
Obwohl, sann sie, Circenn Brodie unstrittig aus einem Stoff gemacht war, aus dem Träume sind.
Er hatte sie geküsst. Er hatte seinen Mund auf ihren gesenkt und die Berührung seiner Zunge hatte trotz der Angst eine Hitzewoge durch ihren Körper gesandt. Sie hatte gezittert, tatsächlich von Kopf bis Fuß gebebt, als seine Lippen sie verletzt hatten. Sie hatte gelesen, dass solche Dinge passierten, aber niemals geglaubt, es selbst zu erleben. Bevor sie in der Nacht eingeschlafen war, hatte sie jede Einzelheit dieses Kusses in ihrer Erinnerung gespeichert, ein unschätzbares Artefakt in dem
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