Küss mich, Sweetheart: Roman (German Edition)
Idee kam, einen aufs Kreuz zu legen.
Nicht dass er nicht an die goldene Regel glaubte: Seid nett zu einander und das ganze Zeug. Das tat er wirklich. In der Tat erfüllte er gerade seine Pflicht als Christ, hilfsbereit zu sein, als er hinter ihr Geheimnis kam.
Er war der Meinung, dass Leute keine privaten Dinge herumliegen lassen sollten, wenn sie nicht wollten, dass sie jemand sah. Aber vielleicht sollten sie ja gefunden werden. Ja, das war es. Vielleicht wollte sie die Katze tatsächlich endlich aus dem Sack lassen.
Ein Katz-und-Maus-Spiel – das genau war es. Und man war entweder die Katze oder die Maus, der Jäger oder der Gejagte.
Er war Jäger. Sein Daddy hatte ihm sein erstes Gewehr, Kaliber 22, geschenkt, als er sieben Jahre alt war, kurz bevor seine Mom echtes Gift in eine dieser dunkelbraunen Flaschen gefüllt hatte und auf den Tag X wartete, der unweigerlich kommen würde, wenn sich sein Daddy heimlich einen Drink zu viel genehmigen würde.
Jedenfalls war das 22er das beste Geburtstagsgeschenk, das er je bekommen hatte. Es stellte sich heraus, dass er auf Anhieb mit einem Gewehr umgehen konnte. Er schien in der Tat ein Talent dafür zu haben, Dinge zu töten.
Er hatte das Schießen über die Jahre hinweg nie aufgegeben. Er übte in einem kleinen Steinbruch und zielte meist auf Eichhörnchen, Hasen oder Vögel, manchmal spätabends auch auf Schleiereulen.
Aus der Jagd machte er gerne ein Spiel. Wie nahe konnte er seinem Ziel kommen? Nahe genug, um in Anschlag zu gehen, bevor das Viehzeug überhaupt merkte, dass er da war? Nahe genug, um die Angst des Tiers in dem Bruchteil der Sekunde, als es seinen Tod spürte, zu riechen? Nahe genug, um einen Blattschuss anzubringen?
Er liebte Spiele. Er war immer gut darin gewesen. Ja, vielleicht nicht bei denen, die man in der Schule spielte. Derartige Spiele verlangten eine Art von Schnelligkeit, die er nicht verstand. Andere Kinder lachten ihn aus, machten sich darüber lustig, wie langsam er kapierte. Aber wenn ein Spiel Geduld erforderte oder Beharrlichkeit, dann war er der richtige Mann dafür.
Nun, jetzt würde man das Spiel auf seine Weise und nach seinen Regeln spielen. Er wusste, wer die Lady war und was sie wirklich war. Er hatte es niemandem erzählt. Es war jetzt ihr gemeinsames Geheimnis.
Er war gut darin, Geheimnisse zu hüten.
Kapitel 11
»Guten Morgen, Sweetheart!« , ertönte die Stimme des Moderators aus dem Radio.
»Heute erwartet Sie ein wunderbarer Tag. Mit siebenundzwanzig Grad ist es unverhältnismäßig warm für die Jahreszeit. Die Luftfeuchtigkeit liegt bei angenehmen 30 Prozent, der Luftdruck bei tausendeinhundert Hektopascal, Tendenz steigend. Niederschläge werden für das Wochenende nicht erwartet.
Ihr Morgenwetterbericht hier bei WHRT, The Heart, auf der UKW-Frequenz achtundneunzig Komma neun, wurde Ihnen präsentiert von ›Demolition‹. Sie wissen, nichts wirkt besser gegen den Getreidekäfer als ›Demolition Insektentod‹. ›Demolition‹ bewahrt Sie davor, dass Ihr Feld jemals wieder von Schädlingen befallen wird und Sie mit ansehen müssen, wie Ihre Maisernte ruiniert wird.
Es ist zehn Minuten nach voll und Zeit für unseren ›Blick zurück‹. In welchem Jahr befinden wir uns? Nikita Chruschtschow wird Premier der Sowjetunion. Die Vereinigten Staaten bringen mit Explorer One ihren ersten Erdsatelliten ins Weltall. American-Express-Kreditkarten werden eingeführt. Die Hula-Hoop-Welle überschwemmt die Nation. Johnny Unitas und die Balitmore Colts erringen mit einem Golden-Death-Tor in der Nachspielzeit die NFL-Meisterschaft. Also, Leute, ihr habt auf 1958 getippt? Dann liegt ihr goldrichtig.
Den folgenden Titel wünscht sich Peggy Sue für ihren Freund Buddy. Leute, das ist ein Klassiker. Hier ist der großartige Conway Twitty mit seinem Hit aus dem Jahre 1958: ›It’s Only Make-Believe‹.«
Gillian summte die Melodie leise mit, während sie sich eine zweite Tasse Kaffee einschenkte und herzhaft in die Apfelpie biss, die von dem Abendessen im Pub übrig geblieben war.
Selbst am Morgen danach war die Pie noch köstlich. Die Kruste war zart, ohne bröckelig zu sein, die Füllung war weder zu süß noch zu sauer. Die Äpfel waren mürbe, aber nicht matschig. Sie schmeckte einen Hauch Zimt, etwas Muskatnuss und möglicherweise ein wenig braunen Zucker heraus. Und dann war da noch irgendein Aroma, das sie nicht definieren konnte – wahrscheinlich Hilda McGintys Geheimzutat. Irgendetwas Ungewöhnliches.
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