Küss mich, Sweetheart: Roman (German Edition)
wandte sie sich nicht um und sah nicht zu ihm hinüber.
»Sie sollten Ihre Zeit nicht mit einem alten Glatzkopf wie mir verschwenden«, sagte der Mann, der sie zu den augenblicklichen Walzerklängen führte. »Sie sollten sich lieber einen romantischen Abend mit Sam machen.«
Gillian hatte nicht die Absicht, Truman gegenüber unhöflich zu sein, nachdem er seinerseits ihr gegenüber die Höflichkeit in Person war. »Sam ist anderweitig beschäftigt, und außerdem scheint er sich gut zu unterhalten.«
»Ich bin sicher, Lynn Harrison hat ihn sich gegriffen. Er selbst hätte sie nie zum Tanz aufgefordert.« Als Gillian nicht darauf einging, versuchte Truman es andersherum. »Sie haben doch schon von unserer Stadtbibliothekarin gehört, oder?«
Gillian nickte steif. »Als Sam nach Sweetheart zurückkam, haben sie sich in der ersten Zeit öfter verabredet.«
»Allerdings nur kurze Zeit. Ich versichere Ihnen, es hatte nichts zu bedeuten. Lediglich ein kleiner Flirt. Zumindest von seiner Seite aus.« Der distinguierte alte Herr blickte zu ihr herab. »Sie haben Sam für jede andere Frau ruiniert. Und jetzt, nachdem ich Sie kennen gelernt habe, kann ich auch verstehen, warum.«
Das war das Problem, wenn man nicht bei der Wahrheit blieb. Sie holte einen immer wieder ein. Weil es Sam und ihr gut in den Kram passte, waren sie dem Stadtklatsch nicht entgegengetreten oder hatten das Gerücht über sie beide gar dementiert. Jetzt musste sie sich, so gut sie konnte, aus der Affäre ziehen. Aber es war nicht das erste Mal, dass sie mit einer peinlichen Situation fertig werden musste.
»Ich kenne Sam schon sein ganzes Leben lang«, sagte Truman. »Er gehört zu den Männern, auf die man sich verlassen kann.«
»Ja, das kann man.«
»Obendrein ist er intelligent. Er hat wirklich einen messerscharfen Verstand. Ich muss das wissen, denn ich war schließlich sein Lehrer. Ich musste Sam nie etwas zweimal erklären. Er begriff immer als Erster, vor allen anderen in der Klasse.«
Sie hegte keinen Zweifel daran, dass Sam Hirn- und Muskelmasse hatte.
Truman fuhr mit dem Lobgesang auf seinen Schüler fort. »Er ist auch ein integrer Mann.«
»Von Kopf bis Fuß eine ehrliche Haut«, warf Gillian mehr im Scherz ein, merkte dann aber, dass sie es ernst meinte.
»Genau.«
Um die Liste seiner Tugenden fortzuführen, setzte sie noch einen obendrauf: »Gütig zu Tieren und kleinen Kindern.«
Truman kicherte. »Jetzt machen Sie sich lustig.«
»Vielleicht ein bisschen.«
Seine schneeweißen Augenbrauen zogen sich plötzlich fragend zusammen. »Ich weiß wirklich nicht, was zwischen Ihnen beiden schief gelaufen ist.«
Gillian sagte ihm die Wahrheit: »Nichts.«
Hart schüttelte bedächtig den Kopf. »Ich fürchte, das passiert nur allzu oft: Paare beschließen wegen Lappalien ohne jede weitere Bedeutung, auseinander zu gehen. Wenn Sie einmal mein Alter erreicht haben, wird Ihnen plötzlich bewusst, dass die Richtung, die Ihr Leben nahm, weitgehend von solchen läppischen Entscheidungen bestimmt wurde.« Er machte eine längere Pause, bevor er ihr einen Rat gab: »Machen Sie nicht den Fehler, Sam zu unterschätzen.«
»In welcher Hinsicht?«
»Hinter seiner kühlen, gleichmütigen Fassade verbirgt sich ein liebevoller, empfindsamer Mann.«
»Wenn Sie das sagen.«
Truman wurde immer ernster. »Ich spreche von tiefen Gefühlen, die unter seiner Oberfläche wie ein unterirdischer Fluss dahinwogen. Sam wird alles tun, was erforderlich ist.«
»Was erforderlich ist?«
»Um zu schützen, was ihm gehört.«
Gillian wusste nicht so recht, was er meinte. »Ich fürchte, ich kann nicht ganz folgen …«
Er machte keine Umschweife. »Sie, Ms. Charles. Er wird alles tun, was erforderlich ist, um Sie zu beschützen.«
Eine leichte Gänsehaut – o Gott, Gillian, ist das Erregung, was du da spürst? - lief ihr über den Rücken.
»Denken Sie nur an den Zwischenfall mit der toten Krähe«, fuhr der pensionierte Mathematiklehrer fort.
»Die tote Krähe, die Sam auf meiner … seiner … Veranda gefunden hat?«
»Die meisten Männer würden einfach den Kadaver verschwinden lassen und die Sache vergessen. Nicht so Sam.«
»Nein, nicht Sam«, bestätigte sie sein Gefühl.
Truman räumte jeden Zweifel aus. »Er wird der Sache früher oder später auf den Grund gehen.«
»Ich bin sicher, er findet den Lümmel, der den Streich gespielt hat.«
»Wenn es denn ein Streich war. Er geht kein Risiko ein. Der Jäger war ein Meister seines
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