Küss mich, Sweetheart: Roman (German Edition)
Doodles beugte sich zu ihr vor und schien ihr intensiv zuzuhören. Dann war er an der Reihe. Mary Kay hing an seinen Lippen, während er sprach. Das Letzte, was Gillian von ihnen sah, war, wie sich beide in eine ruhige Ecke zurückzogen und sich setzten.
Sie war recht zufrieden mit sich, als ihr plötzlich jemand auf die Schulter klopfte. Sie drehte sich um. Es war ein großer, distinguierter Herr in einem Anzug, aber ohne Krawatte.
Er stellte sich selbst vor. »Ich bin Truman Hart, Miss Charles.«
»Der Wachhund vom Tierschutzverein.«
Er gluckste vor sich hin; es war ein tiefes, kehliges Rollen. »Wer in aller Welt hat Ihnen das erzählt?« Truman wehrte mit einer Hand ab. »Nein, sagen Sie es mir nicht. Ich wette, es war Samuel.«
»Wenn Sie es genau wissen wollen«, sie senkte ihre Stimme zu einem konspirativen Flüstern, »es war Max.«
Kapitel 16
Er hasste es, wenn man ihn Sammy nannte.
Er hatte es Lynn schon x-mal gesagt, wenn sie zusammen ausgegangen waren. Aber sie hatte immer auf Durchzug geschaltet und weiter darauf bestanden, ihn Sammy zu nennen. Sie fand das wohl süß. Es war aber nicht süß. Es war ätzend, und zwar verdammt ätzend.
Der Song klang langsam aus, die Musik hörte auf. Die Paare auf dem Tanzboden trennten sich. Sam trat einen Schritt zurück. Das war seine Chance, sich aus dem Staub zu machen – dachte er.
»Sammy«, gurrte die Frau, wobei sie sich in seinen Arm krallte und sich in so eindeutiger Manier an ihn presste, dass sie keinen Zweifel hinsichtlich ihrer Absichten aufkommen ließ, »fordere mich noch einmal auf.«
Er war versucht, Lynn daran zu erinnern, dass nicht er um diesen Tanz gebeten hatte. Sie hatte ihn aufgefordert. Aber er beschloss, diesmal darüber hinwegzusehen. Es lag ihm nichts daran, sie zu brüskieren. Er war zwar bekannt für seine direkte, unverblümte Art, aber er bemühte sich dabei, wenigstens nicht grob zu sein, wobei die Grenze zwischen unverblümt und grob manchmal natürlich nicht so einfach zu ziehen war.
Als die Band einen Akkord anschlug und den nächsten Song anstimmte, bewegte Sam nur mechanisch seine Füße und überließ Lynn das Gespräch. Er blendete sie einfach aus, hörte sie, ohne ihr wirklich zuzuhören. Es war eine Technik, die er vor langer Zeit als Ältester von vier Geschwistern perfektioniert hatte. Er ließ seine Gedanken zu anderen Dingen wandern.
Zu Zigarren.
Zu Gillian.
Was war an diesem Abend bloß schief gelaufen? Eine Zigarre war im Allgemeinen eine exzellente Abwehrwaffe. Sam war kein Raucher, aber beim Maitanz achtete er immer darauf, ein, zwei Stumpen in seiner Manteltasche zu haben. Er steckte sich dann eine an, lehnte sich gegen einen Baum und nebelte sich in einen grauen Rauchring ein. Das war eine effektive Methode, sich Plagegeister vom Leib zu halten: sowohl die herumschwirrenden Insekten als auch die weiblichen zweibeinigen Varianten.
Dieses Mal war seine Taktik fehlgeschlagen. Allen Zigarren zum Trotz. Lynn Harrison hatte ihn aufgestöbert und auf die Tanzfläche gezerrt. Er hatte seine schwelende Zigarre zwischen den Ästen eines blattlosen Baums, wo keine Brandgefahr bestand, zurückgelassen. Als er über die Schulter seiner Tanzpartnerin blickte, sah er Gillian mit Truman Hart tanzen. Der alte Herr unterhielt sie zweifellos mit seinen Geschichten über das verletzte Schleiereulenpärchen, das er gerettet und wieder gesund gepflegt hatte. Die Eulen waren mit einem Kleinkalibergewehr angeschossen worden, nicht unähnlich dem, mit dem die Krähe abgeschossen worden war, die man auf seine Veranda geworfen hatte.
Hoffentlich würde Tru sich an ihre Abmachung halten und Gillian gegenüber keine der Theorien erwähnen, die sie beide durchdiskutiert hatten. Um ihres genauso wie um seines eigenen Seelenfriedens willen zog Sam es vor, sie über die genaue Todesursache der Krähe im Unklaren zu lassen. Zumindest vorläufig.
Inzwischen hatte er beschlossen, selbst ein wachsames Auge auf Ms. Charles zu haben. Dann wäre er, falls wirklich etwas passieren sollte, vor Ort, um sie zu retten. Wovor sie zumindest an diesem Abend gerettet werden musste, waren Tanzpartner mit zwei linken Füßen. Immer wieder war man ihr auf die Zehen getrampelt und hatte ihr die Ohren »abgequatscht«. Dennoch bewahrte sie Haltung und war gleich bleibend höflich zu jedermann.
Sie sieht müde aus, dachte Sam. Richtig erschöpft. Und ab und an hinkte sie sogar. Vielleicht schmerzten ihre Füße. Vielleicht sollte er doch
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