Küss mich, Sweetheart: Roman (German Edition)
hübsche junge Frau – wie ein Flittchen sah sie wahrlich nicht aus – hatte sich bei Sam eingehakt und versuchte, ihn durch Ziehen und gutes Zureden auf den Tanzboden zu bewegen. Als sie es geschafft hatte, wandte sie sich um und sah Gillian direkt ins Gesicht. Die Botschaft ihres selbstgefälligen, süffisanten Gesichtsausdrucks war unmissverständlich. Es war, als wollte sie sie mit dem Song verhöhnen: NAH-nah-nah-NAH-nah. I’ve got your man, and there’s not a blessed thing you can do about it.
Gillian rief sich in Erinnerung, dass die Beziehung zwischen ihr und Sam ausschließlich eine Anwalt-Klienten-Verbindung war, die einen praktischen, zeitlich begrenzten Hintergrund hatte und lediglich nach außen hin bestand. Dennoch musste sie sich eingestehen, dass sie neugierig war. »Wer ist sie?«
»Lynn Harrison.«
Gillian legte fragend den Kopf schief. »Wer ist Lynn Harrison?«
»Unsere hiesige Buchhändlerin.«
»Ach so …«
»Dann hat Sam Ihnen von ihr erzählt?«
»Ja.«
»Manche Frauen wissen nicht, dass Nein Nein bedeutet. Lynn Harrison ist eine von ihnen.« Mary Kay senkte die Stimme. »Sie wissen, was man über Buchhändlerinnen sagt, oder?«
Gillian schaffte es, ein ernstes Gesicht zu bewahren. »Nein. Um ehrlich zu sein, nein.«
Ihre Partnerin befeuchtete sich die Lippen. »Beurteilen Sie ein Buch nie nach seinem Einband.«
»Danke für die Warnung.«
Die Musik hörte auf. Während die meisten Paare getrennte Wege gingen, weigerte sich Sams Partnerin, wie sie bemerkte, ihn loszulassen. Sie klebte an seiner Seite wie eine Klette.
Er ist schon groß, er kann selbst auf sich aufpassen.
Gillian wandte sich wieder der Frau an ihrer Seite zu. »Davison lungert an Minerva Bagleys Stand rum. Er tut zwar so, als interessiere er sich für ihre Teeauswahl, aber in Wirklichkeit hat er die ganze Zeit über Sie beobachtet.«
Mary Kay studierte ihren Exmann aus den Augenwinkeln. »Er hat seine Bluejeans zwar gegen ein Paar Khakihosen eingetauscht, aber wie ich sehe, trägt er immer noch diese grauenvollen Jesus-Latschen.« Ein Lächeln spielte um ihre Mundwinkel. »Zumindest sieht er gewaschen und gebügelt aus«, stellte sie fest, um dann noch hinzuzufügen: »Ich glaube, er trägt seine Haare irgendwie anders.«
Gillian biss sich auf die Zunge – unter den gegebenen Umständen war sie nicht geneigt, ihr zu verraten, dass sie ihm den Trick mit dem Pferdeschwanz beigebracht hatte – und wechselte schnell das Thema. »Ich bin überrascht, dass er keinen Stand hat.«
»Was soll Davison denn mit einem Stand anfangen?«
»Einen Verkaufsstand einrichten und dann seine Porträts und Karikaturen anbieten. In den Straßen von New York gibt es Künstler, die das die ganze Zeit über tun. Sie nehmen fünfundzwanzig bis dreißig Dollar für ein Blatt.« Gillian tippte sich an die Unterlippe. »Er könnte ja noch einen kostenlosen Bilderrahmen oder ein Passepartout drauflegen.«
Man sah förmlich, wie Mary Kays Gehirnzellen plötzlich zu arbeiten begannen. »Ich weiß gar nicht, warum nicht schon früher jemand darauf gekommen ist. Das ist eine glänzende Idee. Es gibt in dieser Ecke von Indiana den ganzen Sommer über noch bis weit in den Herbst hinein tausende von Jahrmärkten und Festivals. Doodles könnte sich das Herz aus dem Leib zeichnen.« Ihre Wangen glühten vor Begeisterung. »Ja, und ich könnte einige seiner Kunstwerke sogar in meiner Pension ausstellen, mit einem dezent angebrachten Preisschild natürlich.«
»Das klingt, als würden Sie beide ein gutes Gespann abgeben: er mit seiner künstlerischen Begabung und Sie mit Ihrem Geschäftssinn.«
Mary Kays Begeisterung verschwand so schnell, wie sie gekommen war. »Und wenn er daran nicht interessiert ist? Wenn er davon nichts wissen will?« Was sie wirklich meinte, war: Wenn er von mir nichts wissen will? »Das war es doch wohl, was ich Doodles immer vorgeworfen habe: dass er aus Angst nicht einmal den Versuch unternimmt, etwas zu tun.«
»Vermutlich ist es so.«
Sie straffte die Schultern. »Ich mach’s trotzdem. Was habe ich schon groß zu verlieren außer meinem törichten Stolz und ein bisschen von meiner Würde? Die halten dich in einer kalten Winternacht in Indiana ganz sicher nicht warm.« Sie drückte Gillian die Hand. »Ich bin froh, dass ich Sie zum Tanz aufgefordert habe.«
»Ich habe mich auch gefreut«, erwiderte sie. »Und viel Glück«, rief sie ihr nach.
Sie beobachtete, wie Mary Kay Weaver auf ihren Exehemann zuging.
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